Den wahrscheinlich erfolgreichsten Schweizer Film der letzten Jahre, Mein Name ist Eugen, konnte ich damals noch im Kino sehen, und es war zu einer Zeit, als ein Kinobesuch für mich noch punkto Häufigkeit pro Jahr dem Geburtstag gleichkam, weshalb dieser Film mich mehr und länger geprägt, oder beeindruckt hat, als dies vielleicht ein Film heute schafft. Denn kaum ist ein Film im Kino, kommt ja schon der nächste, der einen beeindruckt. Als ich den Film heute wieder geschaut habe, habe ich auch viele der Zitate präsent gehabt, oder die Szenen schon gut gekannt, und das, obwohl ich den Film nur zwei Mal gesehen habe, und das zweite Mal auch schon Ewigkeiten zurückliegt.
Die beiden Lausbuben, Eugen und Franz, aka Wrigley, haben es mit ihren Streichen auf die Spitze getrieben – die Folge: Kein Pfadilager. Als sie wegen eines Boots das halbe Haus zum Einstürzen bringen, droht Wrigley sogar das Internat, vor dem er sich sogar mehr fürchtet, als davor, ein Mädchen küssen zu müssen. Also hauen die zwei ab und brechen nach Zürich auf, doch vorher landen sie unfreiwilligerweise doch im Pfadilager. In der Zwischenzeit suchen auch die Eltern der Jungen nach den Beiden, die mittlerweile das Pfadilager verlassen haben. Es haben sich ihnen der verfressene Edouard und der kleine Bäschteli, das Süssigkeitenmonopol und ein unverbesserlicher Bünzli, angeschlossen. Und so startet eine Reise, aus dem tiefsten Tessin, quer durch die ganze Schweiz, bis nach Zürich, wo die Jungs Fritzli Bühler, den König der Scherzbolde, suchen…
Die Buchverfilmung des Klassikers von Klaus Schädelin, die sich zwar die Freiheit genommen hat, einen leicht anderen Weg als die Vorlage einzuschlagen, ist ein Film von Schweizern für Schweizer. Viele der Pointen, Sprüche, Anspielungen und auch die Darstellerauswahl ist halt einfach doppelt so lustig, wenn man die Hintergründe dazu etwas kennt. Was vermutlich nur ein kleiner Teil der ausländischen Zuschauer tut. Trotzdem oder gerade deswegen möchte ich etwas zum Film schreiben, da er doch ein sehr gutes Bild der Schweiz wiedergibt, wenn auch kein aktuelles, aber doch eins, das in meinen Augen, wenn auch sehr überspitzt, dem der Schweiz in den 60ern entspricht. Auch mein Vater, der zu dieser Zeit ein Jugendlicher war, erinnerte sich immer wieder an ähnliche Szenarien, von den Pfadireisen bis hinzu dem Aussehen der Städte und der Kleidung.
Wenn auch spitzfindige Wikipedianer Fehler bei der Lokomotiven- oder Autowahl entdecken konnten, so hat man doch sehr darauf geachtet, alles der Zeit anzupassen. Man hat sogar den Zürcher Hauptbahnhof zur Verfügung gestellt bekommen, den man leicht umgestaltet hat, damit er auch wie in den 60ern aussieht, die SBB hat Züge bereitgestellt, und in einer Szene sieht man ein riesiges Blick-Plakat, das einen Aufruf nach der Suche der Jungs startet. Auch die Musik passt ins Bild der 60er, es ertönen Pfadi-Lieder, richtig „cooler“ Schweizer „Rock“ oder sogar eine feine Version des zwar erst 1977 erschienenen „Campari Soda„. Der Grossteil der Stücke ist aber eigens für den Film komponierte Musik, die alle Eigenschaften eines Road Movie-Soundtracks hat: Fetzig, mitreissend und locker. Das verstärkt vorallem die Freude und die Spannung, an den Verfolgungsjagden, von denen der Film nicht gerade wenige hat.
Der Film lebt vorallem von diesen Verfolgungen, aber auch dem Slapstick und dem kindlichen, wenn nicht manchmal sogar kindischen (und das in einem durchaus positiven Sinn) Humor. Schon die Anfangsszene zeigt, welche Richtung der Film einschlägt – nach gut 5 Filmminuten hängen die vier Jungs an einem Seil von einem Dach herunter. Und die Action geht in diesem Stil weiter, es gibt Verfolgungen quer durch einen Zug, Sprünge in die Limmat und sogar ein Kirchturm wird von den Lausbuben verunstaltet. Es ist aber nie so, dass man das Gefühl kriegt, der Film sei überladen mit Action, denn einerseits rechtfertigt schon die Tatsache, dass es Lausbuben sind, diese vielen wilden Momente. Und der Humor, der Seitenhiebe in alle Richtungen macht, mit klassischen Klischees spielt und sich Running Gags bedient, lockert das Ganze ordentlich auf, sodass – man möge mir diese Bezeichnung verzeihen – daraus ein vergnüglicher Familienspass werden kann.
Man muss aber vom Film nicht erwarten, dass er eine tiefgründige Story liefert. Denn das ist neben der ganzen Action, den Spässen und der Schweizerreise nicht möglich, und sowieso – auch nicht nötig. Die wenigen Versuche des Films, etwas Tiefgründigkeit aufkommen zu lassen, versinken in Pseudo-Kitsch und werden darüberhinaus vom Film jeweils zunichte gemacht, indem man die Story wieder auf die komische Seite kippen lässt, wo jegliche Ernsthaftigkeit hoffnungslos ist. Da helfen die eher schwachen und nur begrenzt überzeugenden Jungschauspieler nicht, die ab und zu mit einer ernsten Miene dem Film Tiefgründigkeit verleihen wollen. Schauspielerisch hat man zwar bei den vier Hauptfiguren Leute, die ihren Job eher schlecht als recht machen. Einzig Janic Halioua* als Wrigley sticht hervor, aber dies auch nur, weil einfach die anderen Lausbuben ziemlich blass bleiben. Jungschauspieler hin oder her. Die grossen Namen im Film, die die wichtigsten Nebenrollen besetzen vermögen dagegen zu unterhalten. Patrick Frey und Mike Müller als keifende Väter oder auch Viktor Giacobbo als Polizist, Beat Schlatter als Fritzli Bühler sorgen für Lacher, und sogar Nella Martinetti und der lispelnde Zürcher Polizeisprecher Mario Cortesi, ein Original, sind dabei.
Seit nunmehr fünf Jahren wartet die Schweiz auf einen Film, der auch nur annähernd so gut und unterhaltsam ist, wie Mein Name ist Eugen. Viele sind zwar ähnlich oder sogar noch erfolgreicher, aber so richtig begeistern konnte nur Eugen. Denn die richtige Mischung aus Action und Humor muss man erst noch finden – Eugen hat sie.
* Wusstest du, dass Halioua nebenher Parkour macht? Jaja, ich hab meine Quellen… 😉