„OMG, You punched the Highlights out of her Hair! He punched the Highlights out of her Hair!“
Eine Geschichte neigt sich mit dem Schauen von Scott Pilgrim vs. The World dem Ende zu – nämlich jene von Graval und seiner Scott Pilgrim-Affinität. Naja, das ist falsch, denn ich werde Scott Pilgrim immer lieben, schliesslich brauche ich meinen Enkelkindern ja was zum Erzählen, und was gibt es schon zu erzählen, in einer Zeit, in der der 3. Weltkrieg in ungreifbarer Ferne liegt? Vielmehr neigt sich meine Scott Pilgrim-Vorfreude dem Ende zu, Scott Pilgrim wird ad Akta gelegt, aber nicht vergessen. Ich habe die Bände gelesen *tick*, auf deutsch und englisch *tick* und ich habe den Film geschaut *tick* – kurz: ich habe alles erfüllt, was ein Scott Pilgrim-Fan erreichen muss (für das Game löse ich meinen Joker ein).
Und bislang fehlte auf dieser imaginären Liste der Checkpoints im Leben eines Scott Pilgrim-Geeks das Schauen des Films. Nach langer Durststrecke lief er am Donnerstag in der Schweiz an, doch lange Schultage und Schulprojekte verunmöglichten ein Schauen am Premierentag und so verlegten wir, das heisst Damian (der gar kein Grafiker ist, wie ich dachte) und seine kleine Dame (die gar keine Zürcherin ist, wie ich dachte), Maloney (über den ich aus Prinzip nichts dachte), mein Bruder und ich, unsern Kinobesuch auf Samstag. Sprich heute. Um euch eine Schilderung unseres Abends inklusive Stress an der Kinokasse und Stress am Bahnhof, zu ersparen, ohne Umschweife zum Film:
Scott Pilgrim ist ein 23-jähriger Rocker und Faulenzer und mit seiner Band Sex-Bob-Omb hat er nur mässigen Erfolg. Eines Tages datet er die sechs Jahre jüngere High Schoolerin Knives Chau, und ist eigentlich ganz glücklich, bis Rollerblades-Subspace-Ami-Mädel Ramona Flowers in sein Leben braust. Und von da an ist es um Scott geschehen – er lässt alle(s) stehen, um Ramonas Herz zu gewinnen. Doch das gestaltet sich schwieriger als es scheint, denn um an Ramona heranzukommen, muss Scott erst ihre sieben bösen Ex-Freunde bekämpfen. Bekämpfen? Besiegen. Doch nicht nur Ramona hat eine Vergangenheit, die sie nicht in Ruhe lässt, auch auf Scott kommen einige, längst vergangen gegleubte Probleme zu…
Meine ursprüngliche Befürchtung, dass der Film eine ziemliche Abspulung der sechs Fights sein würde, und dadurch viel zu wenig Platz für die Story darum bleibt, wurde nicht (ganz) bestätigt. Anfangs werden die Charaktere eingeführt, und bis zu den ersten Fights vergeht reichlich Zeit. Die Kämpfe zwischen Todd, Roxy und den Twins dagegen folgen wirklich rasch aufeinander, dass es einem zum Schluss ein bisschen zum Hals heraushängt. Auch wird [die Trauer von Scott nach Ramonas Abgang] nicht so sehr gezeigt, aber das hätte vermutlich auch den Rahmen gesprengt. Alles in allem haben die Macher des Films jedoch das Maximum aus der Story herausgeholt – an den richtigen Stellen wurde gekürzt, die wichtigen Gags und Sprüche und Szenen hat man beibehalten oder zumindest an einer anderen, ebenfalls passenden Stelle eingefügt.
So ist der Film zum Anfang noch sehr, sehr nahe am Buch, mit der Zeit geht man aber eigene Wege, was vor allem auch daher rührt, dass der Film de facto nur die ersten fünf Bände enthält, da der sechste zum Zeitpunkt des Drehbuchschreibens noch in Planung war. Durch diesen Umstand haben immerhin einzelne Ideen aus Band 6 den Sprung in den Film geschafft, das Ende ist jedoch völlig anders als im Comic. Das Filmende als „besser“ als im Comic zu bezeichnen wäre bekanntlich ein Sakrileg. Vielmehr ist es logischer und verknüpft die einzelnen Storypunkte konsequenter. Was mir zudem sehr gut gefallen hat, ist wie es auch Ideen der Macher in den Film geschafft hatten, und so wirkten als wären sie direkt aus dem Kopf Bryan Lee O’Malleys entsprungen, ich denke da nur an die kämpfenden Musikbestien oder Wallaces SMS-Amoklauf. Man hat es wirklich geschafft, das Feeling der Comics 1:1 einzufangen, was schon lange keine Verfilmung eines Buchs oder Comics mehr so gut geschafft hat.
Das rührt auch daher, dass man den Film wie einen Comic gestaltet hat. Statt nur die Band spielen zu lassen, setzte man ihren Sound auch bildlich um, mittels Soundwaves und Blitzen, die aus den Instrumenten schiessen, ein Stil, mit dem schon Comiczeichner O’Malley die Instrumente wahrhaftig klingen liess. Ebenfalls sehr cool ist, wie jedesmal wenn Scott einen Anruf erhält, das Telefon „Rrrring!“ und die Türklingel „Ding Dong!“ macht. Auch am Design diverser Games hat man sich orientiert, was sich schon in [der allerersten Einstellung mit dem verpixelten Universal-Logo und dem Chiptune-Sound darunter] zeigt. Aber vorallem die Fights erinnern an Old School Mugen-Fights und nach jedem Fight wird jeweils der Score aktualisiert. Etwas, was aber weder Game, noch Comic ist, und überhaupt kaum etwas mit Scott Pilgrim zu tun hat, ist [der Seinfeld-Einschub, als die ganze Zeit irgendein Studiopublikum über die Gags der Figuren lacht]. Epischste Szene. Ever.
Ebenfalls am Comic orientiert sich die Musik, zumindest die des Soundtracks. Als Album funktioniert er nur mittelprächtig, aber im Film selbst hauen diese Tracks von Beck, Metric, Plumtree und den Stones rein und passen jeweils mehr als nur perfekt, auch wenn viele ein bisschen zu kurz kommen, und meist nur angespielt werden. Dafür gefällt der Score von Nigel Godrich, der neben dem oben erwähnten Soundtracks, noch kanpp 30 weitere, nur bedingt klassische Stücke beigesteuert hat. Unterstützt wird Godrich auf dem Score unter anderem von Beck und diversen japanischen Künstlern, wie Cornelius oder Dan the Automator. Einer der ganz grossen Tracks auf dem Soundtrack stammt dann auch von Dan the Automator, der die Fightingszene mit Mathew Patel musikalisch umgesetzt hat, und daraus einen bollywood-liken Track geschnipselt hat. Klick for „Slick (Patel’s Song)„.
Was die Darsteller betrifft, so wurden meine Erwartungen erfüllt. Ich erwartete keine grossen oscarreifen Performances, jedoch eine gewisse Spielfreude, die vorallem bei den Hauptdarstellern gut rüberkommt. Michael Cera beweist, warum er, der nicht wirklich wie Scott Pilgrim aussieht, den lustigsten Nerd spielen durfte, auch wenn er stellenweise fast zu cool und zu reif für Scott Pilgrim wirkt. Auch zu Mary Elizabeth Winstead gibt es nur positive Worte zu verlieren, sie spielt höchst glaubwürdig eine Ramona, die nicht immer genau weiss, was sie eigentlich will. Scotts Sidekicks, aka seine Band spielen grossartig (vom schauspielerischen Aspekt), und sind auch optische Volltreffer. Für die herausgestrichenen Figuren (Joseph, Lisa) entschädigt da ausserdem Young Neil, der sehr stark in den Vordergrund gerückt wird („I am Neil!“). Auch die Exes überzeugen durchs Band, allen voran natürlich Boss-Ex Gideon Graves gespielt von Jason Schwartzman, der in der Rolle von G-Man Graves so gut passt, dass man meint, Bryan O’Malley hätte die Figur einzig für diesen Schauspieler geschrieben.
Scott Pilgrim konnte meine Erwartungen nicht erfüllen. Er konnte sie vielmehr toppen und hat sich nun mit grosser Wahrscheinlichkeit auf den ersten Platz meiner Favoriten 2010 gesetzt. Und irgendwo in meiner Top 10 der besten Filme aller Zeiten findet sich Edgar Wrights kunterbuntes Musik-Fighting-Märchen vermutlich auch. Ob der Film ebenso fasziniert, wenn man die Comics nicht kennt, das kann ich euch nicht sagen, dass er aber rockt, wenn man die Comics kennt, und wie ich, ein riesiger Fanboy ist, das steht fest.
Falls wer jetzt schändlicherweise Scott Pilgrim nicht kennt, empfehle ich entweder meine Reviews zu den sechs Bänden oder Amazon.