„If you don’t stand for something, you’ll fall for anything.“
Ich erinnere mich noch gerne an den Moment, als der Trailer zu Sucker Punch viral ging, und jeder Blogger, mich eingeschlossen, gleich einen Ständer kriegte, und sabbernd niederschrieb, wie geil der Film doch werden würde. Mein Feed war seinerzeit voll mit Posts über den Trailer. Ehrlich. Dann kamen die ersten vernichtenden Kritiken und meine Vorfreude kriegte ihren ersten Tritt in die Eier. Und dann kamen die ersten lobenden Bloggerreviews und meine Vorfreude kriegte ihren ersten Blowjob. Da aber die Kritiken vernichtender waren als die Reviews lobend, ging ich mit eher gemischten Gefühlen ins Kino.
Nachdem ihre Mutter stirbt, erben Babydoll und ihre Schwester ihren Besitz, was ihrem Stiefvater nicht in den Kram passt. Im Suff versucht er, Babydoll zu vergewaltigen, vergreift sich dann aber an ihrer Schwester. Beim Versuch, dieser beizustehen, tötet Babydoll jedoch ihre Schwester, und wird darauf vom Stiefvater in ein Irrenhaus gesteckt. Dort erwartet sie die Lobotomie, der sie durch die Flucht in eine Traumwelt, ein Varieté, zu entfliehen hofft. In ihrer Vorstellung trifft sie auf die vier Mädchen Sweet Pea, Rocket, Amber und Blondie, mit denen sie sich auf die Suche nach fünf Gegenständen macht, die ihr die Flucht ermöglichen sollen…
Was ich gar nicht verstehe, ist wie die Kritiker diese Story runtermachen können. Aber vermutlich werden all die Kritiken von alten Filmschulabsolventen geschrieben, die alles ausser Arthouse „niveaulos“ finden und sich die Nase mit Stofftaschentüchern, auf denen ihre Initialen eingestickt sind, putzen. Die Story ist spannend, enthält reichlich Plottwists, und wo es ihr an Dramatik fehlt, kann sie das mit guten Dialogen wettmachen. Dass dieser Film aber ohnehin nicht in erster Linie wegen seinem Script geschaut wird, scheinen die Kritikerheinis vergessen zu haben. Und genau deswegen vertraue ich auch einem mir bekannten Filmreviewer tausendmal mehr als einem diplomierten Filmrezensent – denn der Filmblogger sieht den Film, bzw. hier die Story mit ähnlichen Augen wie ich.
Die Augen werden dann auch gefordert – wenn es um die Action geht. Die ist nämlich heavy. Nicht im Sinne von übel oder brutal, was sie zwar auch ein bisschen ist, aber auf eine coole Art; nein, ich meine, im Sinne dass man nach dem Film echt fertig ist. Das ist jetzt aber nicht negativ, sondern eigentlich verdammt cool. So geile und irgendwie doch ziemlich sinnfreie Action gab es in so guter Form im Kino nämlich schon lange nicht mehr. Snyder weiss die Action aber gut einzusetzen und lässt den Film nie zur Bay’schen Explosionsorgie verkommen, sondern lässt seine Protagonistinnen in häppchenweise servierten Actionsequenzen gegen wilde Biester, Samurai oder Dampfnazis, bzw. im wahrsten Sinne des Wortes Steampunk-Nazis, antreten. Auch wenn es gar keine Nazis sind. Herrlich sind sie trotzdem. Vorallem, wenn sich wieder einer in Dampf auflöst, sobald er getötet wird. Was entsprechend oft vorkommt. Hihi.
Doch es ist nicht nur die Action, die den Zuschauer, was die Optik betrifft, zu fesseln weiss, es ist auch das Setting, das Figurendesign und nicht zuletzt, die unverändert grossartigen Bilder, die Snyder erneut liefert. Sei das ein auf dem Boden drehender Hemdknopf, der in seinem Fall stark an das blutbefleckte Comedian-Smiley aus „Watchmen“ erinnert, oder Babydolls Kampf gegen drei übergrosse und ausgesprochen gut bewaffnete Samurai inmitten wildestem Schneegestöber. In diesen immer wieder genial umgesetzten Fantasiewelten versuchen die Mädchen jeweils, an einen der fünf Gegenstände zu kommen, den sie auch in „der richtigen Welt“ auf diese Weise zu erlangen versuchen. Derweil lenkt Babydoll alle die ihnen in die Quere kommen könnten, mit ihren Tanzkünsten ab. So schräg es klingt, so logisch ist es im Film.
Während die leichtbekleideten Mädchen und die grossen Waffen für den visuellen Orgasmus sorgen, erledigt dies im auditiven Bereich der Soundtrack, der Tracks von den Pixies, Björk und sogar Queen remixt, covert und mash-upt (gibts dazu eigentlich ein denglisches Verb?). Und das auf so hochstehendem und fettem Niveau, dass man den Soundtrack-Verantwortlichen einfach umarmen möchte. Dass in einem Film über Lobotomie der Track „Where is my Mind?“ von den Pixies erklingt, ist so sehr Ehrensache, wie dass „White Rabbit“ im Film, der mit „Alice in Wonderland with Machine Guns“ beworben wurde, von Jefferson Airplane Verwendung findet. Natürlich beide, wie schon erwähnt, als Cover.
Die Schauspielerinnen werden den geringen Anforderungen ihrer Rollen völlig gerecht. Emily Browning als Babydoll schaut weinerlich, Abbie Cornishs Sweet Pea spielt die nörgelnde grosse Schwester von Rocket, die wiederum von Jena Malone verkörpert wird, und die sich als erste auf Babydolls Seite stellt. Amber (Jamie Chung) und Blondie (Vanessa Hudgens) sind das Beigemüse. Und dass solches durchaus schmeckt, wissen wir schon seit Kindesbeinen. Schauspielerisch richtig gefallen können vorallem Scott Glenn als weiser Busfahrer und Oscar Isaac als Blue, den Peiniger der Mädchen und somit deren Nemesis. Isaac spielt Blue so düster und unberechenbar, dass einem das Blut in den Adern gefriert. Grossartig auch sein Clark Gable-Look im Varieté.
„Sucker Punch“ ist wirklich gut. Er ist nicht der erwartete Action-Porno, aber das ist ganz gut so – denn an Sexyness büsst er deswegen keinesfalls ein. Zudem gewinnt das doch sehr brisante Thema der Freiheitsberaubung, Prostitution und nicht zuletzt der Vergewaltigung etwas an Ernsthaftigkeit. Auch wenn ich damit Snyders Epos nicht zur moralapostolischen Lehrstunde herabstufen möchte. Vielmehr ist er wohl das Aushängeschild für Snyders Produktionsfirma „Cruel and Unusual Films“. And one other thing: Seht euch den Film gefälligst im Kino an.