fbpx

Lincoln (2012)

Lincoln

„I am the president of the United States of America, clothed in immense power! You will procure me those votes!“

Dass es Steven Spielberg immer noch drauf hat, steht mit ziemlicher Sicherheit ausser Frage: Von seinen letzten vier Spielfilmen waren alle ausser dem desaströsen Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull für den Oscar als bester Film nominiert – Munich war insgesamt sogar für fünf, War Horse für sechs und sein neuester, Lincoln für ganze zwölf Goldmänner nominert. Und nachdem Spielberg mit Munich und War Horse beide Male komplett leer ausging bei den Verleihungen, sollte diesmal zumindest ein Preis zu holen sein – oder etwa doch nicht?

Es ist das Ende des Jahres 1864, der Amerikanische Bürgerkrieg dauert nun bereits vier Jahre an. Parallel dazu möchte der Präsident der Vereinigten Staaten, Abraham Lincoln, den 13. Verfassungszusatz zur Abschaffung der Sklaverei im Kongress durchbringen. Doch das erweist sich als schwieriges Unterfangen, denn der Grossteil der Abgeordneten sieht es nicht für notwendig, die Sklaverei abzuschaffen – im Gegenteil, sie begrüssen sie sogar. Und so muss der Präsident alle Hebel in Gang setzen, wenn er sein Ziel erreichen möchte…

Zu sagen, dass Lincoln von Daniel Day-Lewis dominiert wird, ist sicher nicht falsch, aber auch nicht ganz so richtig. Die Ehre muss sich der Gute mit Tommy Lee Jones teilen, der in der Rolle des republikanischen Kongressvorsitzenden Thaddeus Stevens regelrecht aufgeht. Klar, auch Day-Lewis spielt seine Rolle erwartungsgemäss grossartig, aber letztlich ist es doch vorallem sein Unterstützer im Kongress, der feurige Rhetoriker, Thaddeus Stevens, der in Erinnerung bleibt. Aber überhaupt gefällt der Cast, bei dem dem geneigten (und über den Cast uninformierten) Cineasten alle paar Minuten ein „Oh Gott, John Hawkes!“ oder „Huch, das ist doch Dane DeHaan!“ entweicht.

Spätestens hier folgt aber die Ernüchterung: Der Rest des Films ist ungenügend. Lincoln ist überlang und wenn man den Amerikanischen Bürgerkrieg nicht gerade bis ins Detail studiert hat, braucht man eine geraume Weile, bis man sich im Film zurechtfindet. Und irgendwie wird man als Zuschauer das Gefühl nicht los, dass sich Spielberg bei diesem Projekt unwohl fühlt. Es ist fast, als möchte er immer wieder eine interessante Geschichte erzählen und das Potential der Prämisse und des Casts nutzen, doch die Realitätsnähe der Vorlage hält ihn zurück und engt seine Kreativität ein. Und so bleibt ein unfertiges Drehbuch, das drastisch gekürzt hätte werden sollen, zurück, das zu allem Übel noch in den falschen Händen gelandet ist – denn Spielberg ist nicht wirklich ein Biopic-Regisseur.

Nicht nur die First Lady fand dieses Biopic zum Heulen...
Nicht nur die First Lady fand dieses Biopic zum Heulen…

Wäre es an mir, die Oscars zu vergeben – Lincoln würde nur zwei abräumen: Daniel Day-Lewis gibt einen glaubhaften Präsidenten ab und auch Tommy Lee Jones spielt sich in einen regelrechten Rausch. Abgesehen davon ist der Film aber bei weitem nicht das Meisterwerk, für das er verkauft wird. Und für einen Spielberg-Film ist er schon fast eine Enttäuschung.

5 Sterne

  • Xander

    Genau so stell ich mir den Film vor, obwohl ich nur den Trailer kenne…

    AntwortenAntworten
  • Horst Schulte

    Wahrscheinlich ist klar, weshalb der Film in den USA für so viele Oscars nominiert wurde. Die Amerikaner berauschen sich gerne an ihrer eigenen Geschichte. Sie ist groß und bedeutend – halt so ganz anders als das in der Gegenwart der Fall ist.

    AntwortenAntworten
  • Silencer

    Ich muss es mal so sagen: Du bist ein Rezensions-Gott. Auch ohne Studium der Filmwissenschaft hast du intuitiv erkannt, dass Spielberg Dinge macht, die nicht seins sind. Das ist dem Umstand geschuldet, dass er sich NIE WIEDERHOLEN will und jedes Projekt ANDERS sein soll. Leider hat er mittlerweile einen Stand erreicht, wo er alles Gute schon gemacht hat – und jetzt kommt nur noch Grütze bei rum. „War Horse“ soll dem Vernehmen nach ja ähnliches Kasperletheater gewesen sein wie Indy IV…

    AntwortenAntworten
  • Dos Corazones

    Ich sehe das ja etwas anders. Ich habe mich selten bei zweieinhalb Stunden Dialog so gut unterhalten gefühlt. Jede Zeile wirkt perfekt geschliffen und wird von den Darstellern super umgesetzt.
    Zudem war die Kameraarbeit angenehm zurückhaltend und statt auf große Bilder des Kriegs zu setzen, wird sehr viel mehr mit Lichtsetzungen in engen Räumen gearbeitet, die Lincoln – anders als ich es schon mehrfach gehört habe – nicht als den perfekten und über allem thronenden Mann zeigen.

    AntwortenAntworten
  • Lincoln (2012) « watched

    […] der Film-Blogosphäre: Im Wendekreis der Medien (6,5/10); Christians Foyer (8/10); Cinema Forever Owley […]

  • donpozuelo

    Mm… kein Film, für den ich ins Kino gehen würde. Und jetzt erst recht nicht!!!

    AntwortenAntworten
  • Fox

    Auch ich empfand die Filmlänge als grenzwertig, konnte das aber noch aushalten. Insgesamt empfand ich das Werk relativ gut – vor allem bei der Cast. Die Story ist vorlagenbedingt nicht so der Kracher – da sollte man schon ein wenig Interesse im Vorfeld haben.
    Nur warum wird Tommy Lee Jones hier immer so gelobt – er wirkte auf mich eher sehr zurückhaltend (aber immer noch topp). Dagegen hat mich Sally Field mehr beeindruckt.

    Zu Spielberg: ich bin der Meinung, von dem kommt nichts Großartiges mehr. Und die vielen Nominierung sprechen nicht unbedingt für tolle Filme. Nicht zuletzt zeigt uns dochd „Lincoln“, dass man Entscheidungen auch einkaufen kann 😉

    AntwortenAntworten

Kommentar schreiben