„I am the president of the United States of America, clothed in immense power! You will procure me those votes!“
Dass es Steven Spielberg immer noch drauf hat, steht mit ziemlicher Sicherheit ausser Frage: Von seinen letzten vier Spielfilmen waren alle ausser dem desaströsen Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull für den Oscar als bester Film nominiert – Munich war insgesamt sogar für fünf, War Horse für sechs und sein neuester, Lincoln für ganze zwölf Goldmänner nominert. Und nachdem Spielberg mit Munich und War Horse beide Male komplett leer ausging bei den Verleihungen, sollte diesmal zumindest ein Preis zu holen sein – oder etwa doch nicht?
Es ist das Ende des Jahres 1864, der Amerikanische Bürgerkrieg dauert nun bereits vier Jahre an. Parallel dazu möchte der Präsident der Vereinigten Staaten, Abraham Lincoln, den 13. Verfassungszusatz zur Abschaffung der Sklaverei im Kongress durchbringen. Doch das erweist sich als schwieriges Unterfangen, denn der Grossteil der Abgeordneten sieht es nicht für notwendig, die Sklaverei abzuschaffen – im Gegenteil, sie begrüssen sie sogar. Und so muss der Präsident alle Hebel in Gang setzen, wenn er sein Ziel erreichen möchte…
Zu sagen, dass Lincoln von Daniel Day-Lewis dominiert wird, ist sicher nicht falsch, aber auch nicht ganz so richtig. Die Ehre muss sich der Gute mit Tommy Lee Jones teilen, der in der Rolle des republikanischen Kongressvorsitzenden Thaddeus Stevens regelrecht aufgeht. Klar, auch Day-Lewis spielt seine Rolle erwartungsgemäss grossartig, aber letztlich ist es doch vorallem sein Unterstützer im Kongress, der feurige Rhetoriker, Thaddeus Stevens, der in Erinnerung bleibt. Aber überhaupt gefällt der Cast, bei dem dem geneigten (und über den Cast uninformierten) Cineasten alle paar Minuten ein „Oh Gott, John Hawkes!“ oder „Huch, das ist doch Dane DeHaan!“ entweicht.
Spätestens hier folgt aber die Ernüchterung: Der Rest des Films ist ungenügend. Lincoln ist überlang und wenn man den Amerikanischen Bürgerkrieg nicht gerade bis ins Detail studiert hat, braucht man eine geraume Weile, bis man sich im Film zurechtfindet. Und irgendwie wird man als Zuschauer das Gefühl nicht los, dass sich Spielberg bei diesem Projekt unwohl fühlt. Es ist fast, als möchte er immer wieder eine interessante Geschichte erzählen und das Potential der Prämisse und des Casts nutzen, doch die Realitätsnähe der Vorlage hält ihn zurück und engt seine Kreativität ein. Und so bleibt ein unfertiges Drehbuch, das drastisch gekürzt hätte werden sollen, zurück, das zu allem Übel noch in den falschen Händen gelandet ist – denn Spielberg ist nicht wirklich ein Biopic-Regisseur.

Wäre es an mir, die Oscars zu vergeben – Lincoln würde nur zwei abräumen: Daniel Day-Lewis gibt einen glaubhaften Präsidenten ab und auch Tommy Lee Jones spielt sich in einen regelrechten Rausch. Abgesehen davon ist der Film aber bei weitem nicht das Meisterwerk, für das er verkauft wird. Und für einen Spielberg-Film ist er schon fast eine Enttäuschung.