„I had a dream my life would be so different from this hell I’m living!“
Dass ich mich auf den Film freute, habe ich vermutlich schon ziemlich deutlich zum Ausdruck gebracht. Das liegt unter anderem daran, dass ich ein Fan von Musicals bin, und kein Problem habe, wenn in einem Film geträllert wird, was das Zeug hält. Nur zur Musical-Version von Victor Hugos Les Misérables hatte ich so gar keinen Zugang – nie gesehen oder gehört und auch das Buch war mir unbekannt. Doch auch ohne Vorwissen folge ich dem Ruf eines Tom Hooper natürlich sofort. Vorallem, wenn das Ganze so verdammt gut ausschaut.
Anfangs des 19. Jahrhunderts: Nach fast 20 Jahren in Gefangenschaft wegen eines Brotdiebstahls wird Jean Valjean auf Bewährung entlassen, kann aber untertauchen und sich eine neue Existenz aufbauen. Als ihn der Inspektor Javert dennoch aufspürt, muss Valjean erneut flüchten. Bevor sie stirbt, verspricht er Fantine, dass er sich um ihre Tochter Cosette kümmert. Zwei Jahrzehnte später hat Javert die Suche nach Valjean noch immer nicht aufgegeben, derweil verliebt sich die mittlerweile erwachsene Cosette in den Revolutionären Marius.
Ich könnte meine Review locker mit Schwärmereien für den Cast des Films füllen: Hugh Jackman als vom Leben bei weitem nicht immer reich beschenkter Jean Valjean, der vom Saulus zum Paulus wird, ist einfach umwerfend – seinen Wolverine mag ich ja nicht so sehr, aber das hier ist eine ganz neue Liga. Javert, Valjeans von einem ungeheuren Pflichtbewusstsein angetriebener Gegenpart, ist mit Russell Crowe ebenfalls gut besetzt. Und natürlich die Dame von der alle reden: Anne Hathaway, die für meinen Geschmack aber eine etwas gar kleine Rolle fasste – Gerade, wenn wir über Awards und ähnliches reden. Dazu kommen die netten, aber nicht speziell ins Gewicht fallenden Amanda Seyfried und Eddie Redmayne, und die in ihrer Deplaziertheit unglaublich coolen Sacha Baron Cohen und Helena Bonham Carter als schamloses Gastwirteehepaar Thénardier.
Trotz der grossartigen Darsteller, von denen gerade die Jackman, Crowe und Hathaway ungeahnte gesangliche Fähigkeiten zeigen und der einwandfreien technischen Umsetzung, hat der Film eine ganz grosse Schwäche – sein Drehbuch. Die Reduktion auf reinen Gesang bremst den Film erzählerisch aus und lässt viele Fragen offen. Das Problem ist, dass nicht alle Songs stark genug sind, um den Film zu tragen, oft wäre man mit ein paar kurzen Dialogzeilen vermutlich besser bedient gewesen. Dazu kommen zahlreiche Längen. Mit zweieinhalb Stunden ist ein Film zwar noch nicht automatisch überlang (man denke da nur an The Hobbit: An Unexpected Journey). Bei Les Misérables trifft das aber leider zu – der Film ist massiv zu lang geraten und langweilt gerade zum Schluss zeitweise sehr. Und wenn Amanda Seyfried gegen des Ende des Films behauptet, dass es „too soon to say good bye“ sei, klingt das wie purer Hohn.

Les Misérables ist – um das offensichtliche Wortspiel auch noch bedient zu haben – keinesfalls miserabel. Tom Hooper, der mit The King’s Speech einen meiner Lieblingsfilme gedreht hat, bietet mit dem Film grossartige Unterhaltung. Leider scheitert die Musicalverfilmung aber an ihrem Drehbuch, bei dem selbst die Längen ihre Längen haben. So bleibt ein fahler Nachgeschmack eines Films, der sein Potential nie wirklich ausschöpfen kann.