„Call me Hitch, hold the cock!“
In den letzten Wochen habe ich mir viele Filme angetan, die mich mit einem unguten Gefühl aus dem Kinosaal treten liessen. A Good Day To Die Hard war eine Schande verglichen mit dem lässigen ersten Teil, Hansel & Gretel: Witch Hunters war bekackter Rotz, Oz: The Great and Powerful war ziemlich dürftig, This Is 40 ebenso und zu Jack the Giant Slayer habe ich mich ja bereits ausgelassen. Irgendwann fragte ich mich also – wo bleiben die richtig guten Filme? Wo bleibt das Kino, das fasziniert und begeistert? Enter Hitchcock.
Nach dem erfolgreichen Release seines neuesten Films North By Northwest sind sich die Kritiker zwar einig, dass Alfred Hitchcock ein talentierter Regisseur ist, aber es bleibt ihnen nicht verborgen, dass der Brite mit 60 Jahren vermutlich das Zenit seiner Karriere überschritten hat. Manche suchen bereits nach dem neuen „Master of Suspense“ und entrüstet setzt es sich Hitch, wie ihn seine Freunde nennen, zum Ziel, diese Kritiker Lügen zu strafen. Als er sich aber des schockierenden Buches Psycho annimmt, weht ihm ein kalter Wind aus Hollywood entgegen – niemand will mit so einem Projekt zu tun haben, und plötzlich ist der erfolgreiche Regisseur auf sich allein gestellt. So wird Psycho nicht nur zu einem schwierigen Unterfangen für Hitch, es stellt auch seine Ehe mit Alma Reville auf eine harte Probe…
Dass Anthony Hopkins für seine Verkörperung von Alfred Hitchcock bei der Award Season dermassen übergangen wurde, grenzt bereits an einen Skandal. Er spielt die Rolle nicht nur mit einer Spielfreude und einer Nonchalance, dass man sich immer wieder aktiv in Erinnerung rufen muss, dass er die Rolle nur spielt, er sieht auch aus wie der grossartige Regisseur – ein Erfolg, den sich Zombiemeister Greg Nicotero auf die Fahnen schreiben darf. Hitchcock aber nur auf seinen Protagonisten und dessen Aussehen zu reduzieren, wäre aber viel zu einfach. So ist der ganze Cast des Films mitverantwortlich dafür, dass der Film dermassen einfährt – allen voran Helen Mirren als Alma Reville, Hitchs starke Frau an seiner Seite.
Diese Liebesgeschichte rückt Regisseur Sacha Gervasi auch ganz geschickt ins Zentrum und zeigt den „Master of Suspense“ in einem ganz neuen Licht – als eifersüchtiger, beinahe Besitz ergreifender und eigentlich nur besorgter Ehemann, der Privatleben und Arbeit nicht trennen kann. Die gezeigten Hirngespinste, die Hitch verfolgen sind da zwar ein bisschen gewöhnungsbedürftig, schildern aber konsequent, wie sich der grosse Regisseur mit seinen Filmen zu einem gewissen Mass reflektiert und identifiziert. Hitchcock ist jetzt aber nicht etwa ein trockenes Biopic mit Behind the Scenes-Doku-Charakter, sondern ein spannendes und mit viel Liebe zum Detail und krudem Humor erzähltes Drama über einen grossen Mann, der an kleinen Dingen zu scheitern drohte.

Sacha Gervasi soll ja angeblich zusammen mit Peter Dinklage einen Film über Hervé Villechaize drehen – nach Hitchcock darf der Mann meinetwegen alles machen, was er will, er hat mein vollstes Vertrauen. Sein Spielfilmdebüt ist ein wunderbarer Film, der den wohl grössten Regisseur aller Zeiten weder demontiert noch in den Himmel hebt, sondern einfach so zeigt, wie wir ihn am Liebsten sehen möchten: Als Mensch.