Monsters University läuft seit zwei Wochen in den Kinos und hat mit 320 Millionen nicht nur bereits sein Budget eingespielt, sondern ist damit auch auf dem besten Weg, einer der finanziell erfolgreichsten Pixar-Filme zu werden. Auch in der Schweiz ist man mit 30’000 Besuchern auf Erfolgskurs – alles rosig, also? Nicht ganz. Beim Publikum ist der Film ein Renner, doch bei den Kritiken fällt Monsters University offenbar durch, und nachdem auch Cars 2 und Brave allgemein als Mist gelten (darauf komme ich später noch zurück), werden die ersten Unkenrufe laut – Pixar habe sein Zenit überschritten, der Mickey Mouse-Konzern habe dem Studio seinen Stempel aufgedrückt. Grund für viele Kritiker, das erfolgreiche Animationsstudio abzuschreiben. Doch damit tut man Pixar unrecht. Ein Erklärungsversuch, nach dem Klick.
Zum Einen sind wir Kinogänger verwöhnt, wenn es um Pixar geht. Das Studio aus Emeryville präsentierte uns mit Toy Story, Monsters Inc. oder Up! wunderbare Filme mit grossen Gefühlen, die bis heute unerreicht bleiben. Es sind aussergewöhnliche und einzigartige Filme, mit Geschichten die so noch nie dagewesen waren. 27 Oscars sprechen eine deutliche Sprache. Dass die hektisch produzierte Fortsetzung Cars 2 ein unglücklicher Film war, ist selbst jenen, die dem Film noch irgendwas abgewinnen können (in meinem Fall sind das die Eröffnungsszene und Michael Giacchinos toller Score) völlig bewusst. Aber der Anfang des Sinkflugs? Mit diesem Schluss bin ich nicht einverstanden. Denn gerade der Folgefilm Brave präsentierte uns eine wundervolle Story mit viel Herz – und selbst, wenn man mit dem Film nicht viel anfangen konnte, muss man doch erkennen, dass Pixar auch mit Animationsfilm Nummer 13 immer noch auf hohem Niveau spielte. Dasselbe lässt sich über Monsters University sagen. Es sind vielleicht gerade bei Letzterem nicht mehr die schrulligen und einzigartigen Ideen, die wir mit den ersten Filmen präsentiert bekamen, aber es sind nichtsdestotrotz kreative und schöne Filme, die uns für einen Augenblick vergessen lassen, dass wir im Kino sitzen. Und verglichen mit dem, was die Konkurrenz uns im Moment präsentiert, sind das wahrlich grossartige Meisterwerke. Ganz nebenbei: Wer sich daran stört, dass Pixar mit altbekannten Charakteren und Gags aufwartet, sollte vielleicht den Besuch einer Fortsetzung respektive eines Prequels noch einmal überdenken.
Gehen wir also aus argumentationstechnischen Gründen davon aus, dass Pixar tatsächlich einen Durchhänger hat – was heisst das für die Zukunft? Stehen wir damit also vor einem Schicksal wie bei BlueSky, die vor lauter Ice Age-Sequels den Anschluss verpasst haben und was Ideen betrifft, nun der Konkurrenz hinterherhecheln? Philippe Zweifel vom Tages Anzeiger sieht das offensichtlich so. In seiner sehr reisserisch mit „Eine schreckliche Entwicklung“ betitelten Analyse über den Niedergang des Studios schreibt er: „Dass mit «Finding Dory» demnächst eine Fortsetzung zum herzigen «Finding Nemo» ansteht, ist kein Fingerzeig zu mehr Originalität.“ Ganz abgesehen davon, dass ich mit seiner Schlussfolgerung wenig anfangen kann, ignoriert er bewusst, dass Pixar in den kommenden Jahren bei weitem nicht nur Sequels und Prequels produziert, sondern auch mit neuen und vielversprechenden Projekten aufwartet. Alleine vor Finding Dory gibt es deren zwei: Nächsten Sommer kommt The Good Dinosaur und 2015 steht mit Inside Out ein Film über das Innere eines Gehirns respektive des Geistes an – notabene von Up!-Regisseur Pete Docter. Während beim grössten Konkurrenten DreamWorks fürs nächste Jahr zwei Adaptationen (Mr. Peabody and Sherman, Home) sowie ein Sequel (How To Train Your Dragon 2) geplant sind, bemüht sich Pixar darum, weiterhin neue und originelle Ideen zu präsentieren. Kein Grund zur Besorgnis also – erst Recht nicht, nachdem Pixar-Präsident Ed Catmull vor Kurzem versichert hat, dass es keine Sequelflut geben wird.
Und selbst wenn es eine solche geben sollte – meiner Einschätzung nach hat Pixar eindrücklich bewiesen, dass ihre Sequels und Prequels nicht automatisch schlecht sind. Die Toy Story-Reihe zeigt das deutlich. Auf der Filmrezensionsplattform Rotten Tomatoes holen alle drei Teile die Höchstpunktzahl von 100% positiven Kritiken (okay, ich habe geschummelt, Toy Story 3 ist mit 99% nur knapp dabei), und auch auf Metacritic spielt man mit durchschnittlichen 90/100 guten Rezensionen vorne mit. Dass Cars 2 deutlich schlechter wegkommt, tut dabei wenig zur Sache, sofern man gewillt ist, dem Studio den ein oder anderen Flop zu verzeihen. Denn die guten Sequels überwiegen, das zeigt auch Monsters University, der bei den Kritiken immer noch besser abschneidet als die diesjährigen Konkurrenten The Croods oder Epic. Rotten Tomatoes listet einen Score von 78% – für DreamWorks und BlueSky gibt es lediglich 69% respektive 63%. Selbst Despicable Me 2 kommt schlechter weg als das Pixar-Sequel. Dasselbe in grün auf Metacritic. Damit kommen die Filme längst nicht nur bei den Kiddies an, wie diese nicht repräsentative Studie von Slate nahelegt, sondern auch bei den professionellen Kritikern. Warum wird dann von eben jenen gerade Pixar totgesagt, wenn die anderen Studios augenscheinlich dieselben Schwächen aufweisen? Wo bleibt der DreamWorks-Abgesang?
Ich komme in dieser Frage nur zu einem Schluss: Wie bei sovielen in der Öffentlichkeit verschrienen Konzerne und Studios liegt dieses plötzliche Pixar-Bashing vermutlich beim zu grossen Erfolg. Manch Einem war dieser seit über 15 Jahren anhaltende Höhenflug von Pixar alles andere als geheuer – schliesslich hat alles seine Vergänglichkeit und eine derartige Erfolgsserie muss doch irgendwann ein Ende finden. Dabei werden gerne mal die Fakten, die auf dem Tisch liegen, ignoriert, respektive so zurecht gerückt, wie es einem passt – im Fall von Pixar, so, dass man daraus den Untergang eines der erfolgreichsten Animationsstudios der letzten Jahre herauslesen kann. Dass eine derartige Schlussfolgerung völlig falsch ist, wird uns Pixar spätestens im kommenden Sommer beweisen – davon bin ich felsenfest überzeugt.