Als ich vor einer Woche von einem Interviewpartner eiskalt abserviert wurde, war die Enttäuschung bei mir gross. Doch wie sagte schon mein supertoller Mathelehrer? „Das Leben ist wie eine Sinus-Kurve – mal geht es hinauf, und mal wieder hinunter!“ Und so dauerte es nicht lange, bis sich mir aus heiterem Himmel eine neue, des Tollsten Oktobers Aller Zeiten würdige Möglichkeit bot:
Anlässlich eines Harry Potter-Filmmusik-Konzertes des renommierten 21st Century Symphony Orchestra war der Komponist Patrick Doyle dieses Wochenende in Luzern zu Gast und nahm sich freundlicherweise kurz Zeit, um mir einige Fragen zu beantworten. Mein Interview mit dem charismatischen Schotten, der unter anderem für einen Harry Potter-Film, Thor oder Brave die Filmmusik schrieb, gibt es nach dem Klick.
Lustigerweise habe ich dieses Interview auf den Tag genau ein halbes Jahr nach meinem Gespräch mit Michael Giacchino geführt. Sachen gibt’s.
Herr Doyle, vielen Dank, dass Sie sich für dieses kurze Interview Zeit genommen haben.
In den letzten zwei Jahren haben Sie nur gerade für zwei Filme die Musik geschrieben – zum einen für den Animationsfilm Brave im vergangenen Jahr, und zum Anderen für den Ende Jahr in die Kinos kommenden Jack Ryan. Womit waren Sie in dieser Zeit denn noch beschäftigt?
Ich arbeite im Moment an Cinderella von Kenneth Branagh, der schon bald erscheint [Anmerkung: Es geht, der Film kommt 2015…], ausserdem habe ich für einen Stummfilm namens It die Musik geschrieben. Der Film ist bereits 1927 erschienen, mit der berühmten Stummfilmikone Clara Bow in der Hauptrolle. It feierte kürzlich seine Premiere am Syracuse International Film Festival, wo er mit einem Kammerorchester untermalt wurde und zum Glück ein voller Erfolg war.
Die Konzerte hier musste ich natürlich auch vorbereiten. Grösstenteils habe ich aber an Jack Ryan gearbeitet. Das hat lange gedauert, etwa sechs bis sieben Monate, was länger ist, als gewöhnlich. Aber ich wollte, dass der Soundtrack frisch daherkommt, dass er neu und vorallem anders klingt.
Diesen Monat kommt Thor: The Dark World in die Kinos, im nächsten Sommer steht Dawn of the Planet of the Apes an, die Fortsetzung zu Rise of the Planet of the Apes. Bei beiden Filmen schrieben Sie für den ersten Teil noch die Musik, nun werden Sie aber bei keinem der Beiden mehr am Start sein. Gibt es dafür spezielle Gründe?
Ganz einfach – es gibt einen neuen Regisseur und folglich einen neuen Zugang zum Material und neue Ideen. Das ist nichts Ungewöhnliches. Für mich bedeutet das lediglich, dass ich zum nächsten Projekt übergehen kann.
Bei Harry Potter and the Goblet of Fire haben Sie wiederum eine Franchise von jemand anderem übernommen. Unterscheidet sich der Zugang für Sie von einem neuen Projekt?
Nicht wirklich. Das ist einfach ein weiterer Job für mich. Ich gehe das an, wie ich alles angehe. Die Harry Potter-Filme sind eine tolle Serie und John Williams ist ein grossartiger Komponist. Für mich war das einfach eine gute Möglichkeit, Teil einer Franchise zu werden, und die Story dieser Filme ist fantastisch. Und mit Mike Newell hatte ich ja schon früher zusammengearbeitet.
Nicht nur mit Mike Newell haben Sie mehrmals zusammengearbeitet – auch mit Alfonso Cuarón und Kenneth Branagh kreuzten sich Ihre Wege mehrmals. Wie wichtig ist es für Sie, mit Leuten zu arbeiten, die Sie bereits gut kennen?
Der Arbeitsprozess bei der Arbeit mit Jemandem, den ich gut kenne, ist sehr effizient – ich weiss, was der andere denkt, wie er funktioniert. Daher ist eine erneute Zusammenarbeit immer einfacher und schneller. Zudem bin ich vertrauter mit der anderen Person, wenn ich sie schon kenne, was sicher ein wichtiger Punkt ist. Und es macht Spass – das sollte es immer tun!
Pixar ist bekannt dafür, immer wieder mit denselben Komponisten zusammenzuarbeiten. Folgen nun, nachdem Sie für Brave die Musik geschrieben haben, weitere Projekte mit dem Animationsstudio?
Ich habe keine Ahnung. Ich weiss nicht, wie ihre Pläne aussehen. Mal sehen, ob sie mich wieder fragen werden. Bisher habe ich noch nichts gehört, ich würde mich selbstverständlich freuen. Aber das bleibt Pixar überlassen. Und ich widme mich in der Zwischenzeit anderen Dingen.
Der Schauplatz von Brave ist Schottland – welche Bedeutung hatte dieses Setting für Sie persönlich?
Es bedeutete mir sehr viel, denn ich konnte so meine persönlichen Erfahrungen und meine Herkunft, quasi meine DNA, in die Musik einfliessen lassen. Ich hatte das Gefühl, dass ich ein gewisses Etwas einbringen konnte, und ich hoffe, das hört man der Musik auch an. Schliesslich ist das meine Heimat! Und ich bin auch mit dieser Art von Musik vertraut – ich stamme aus einer sehr musikalischen Familie und wurde mit keltischer Musik quasi grossgezogen.
Ausserdem konnte ich mit meinem Sohn arbeiten, der mir mit Meridas Wiegenlied Noble Maiden Fair (A Mhaighdean Bhan Uasal) [Anmerkung: Patrick Neil Doyle schrieb die gälischen Lyrics für diesen Titel] half. Das war eine wunderbare Erfahrung für mich und hat mir sehr viel Spass bereitet.
Sie sprachen bereits ihre Arbeit an Jack Ryan und Cinderella – beide von Kenneth Branagh – an. Gibt es noch andere Projekte, über die Sie uns etwas erzählen können?
[Enthusiastisch] Ja – ich stehe nämlich im Gespräch mit… oh, kann ich Dir das überhaupt erzählen? [Owley nickt ganz fest. Hilft nicht.] Nun, sie wollen, dass ich es mache, aber ich muss warten. Es ist etwas Grosses, nach Cinderella. Weisst du was? Ich werde es Dir als Erstem verraten, sobald es bestätigt ist. [Lacht]
Das habe ich gehört! Vielen Dank für dieses tolle Gespräch!
Wir dürfen gespannt sein, worum es sich bei Doyles grossem Projekt dann effektiv handelt. Ich würde ihn jedenfalls nicht von der Rechnung nehmen für einen der grossen 2015-Blockbuster. Und vielleicht dürfen wir ihn ja dann erneut im KKL begrüssen – schliesslich scheint er sich ja in Luzern wohlzufühlen. Vom Konzert zeigte sich der schottische Komponist zumindest sehr begeistert. Und das zu Recht – Ludwig Wicki und sein 21st Century Symphony Orchestra und Chor zogen erneut alle Register. Einem Die Hard-Potter-Fangirl neben mir entlockten sie bei den Klängen von Hedwig’s Theme sogar ein freudiges Tränchen. Ein grosser Applaus gebührt dabei aber nicht nur den Musikern, sondern auch den Organisatoren von Art Productions, die eine tolle Produktion nach der anderen auf die Beine stellen und uns auch in Zukunft weiterhin begeistern werden.