„How is it in my age, that I can still get shocked?“ – „I am shocked that you are shocked!“
Von seinem Vater erbt Mathias ein grosses Anwesen in Paris. Als er dieses unter die Lupe nimmt, merkt er jedoch schnell, dass ihm sein Vater die Katze im Sack vermacht hat: Das Haus ist nämlich ein sogenanntes „viager“ – das heisst, er muss der 90-jährigen Besitzerin Mathilde bis zu ihrem Tod eine monatliche Rente zahlen. Mathias hat weder die Lust noch das Geld für diesen Spass und ist fest entschlossen, dieses „viager“ loszuwerden. My Old Lady ist der zweite Film von Drehbuchautor und Filmemacher Israel Horovitz – in der Hauptrolle zu sehen ist ein überzeugender Kevin Kline.
My Old Lady beginnt ganz versöhnlich, mit romantischen Bildern der Stadt der Liebe, ihrer schönen Gassen – doch wer nun eine versöhnliche Feel-Good-Komödie erwartet, irrt. Israel Horovitz präsentiert ein vielschichtiges und tiefschürfendes Drama, das sich zu grossen Teilen in den vier Wänden des Pariser Anwesens abspielt. Unter diesen Umständen könnte man My Old Lady fast schon als Kammerspiel bezeichnen. Und auch wenn es aufgrund der wechselnden Szenerie und der vielen Nebencharaktere strenggenommen kein solches ist, umschreibt der Begriff diesen Film vermutlich ganz gut.
Denn Israel Horovitz‘ Umsetzung seines eigenen Bühnenstücks lebt von den Figuren. Die Chemie zwischen den bühnenerprobten Hauptdarstellern Kevin Kline und Dame Maggie Smith ist regelrecht spürbar. Dieses Duo wird ergänzt von der starken Kristin Scott Thomas, die im Film Mathildes aufbrausende und gleichzeitig verletzliche Tochter Chloé mimt und in dieser Rolle bestens gefallen kann. Selbst Amélie-Widerling Dominique Pinon bekommt in diesem Film einen charmanten Kurzauftritt.
Wer Lust auf eine kammerspielartige Charakterstudie hat, ist mit My Old Lady bestens bedient. Die Schauspieler sind gut aufgelegt und tragen diesen Film von der ersten bis zur letzten Minute.
Das 10. Zurich Film Festival zeigt My Old Lady am 4. Oktober um 16.00 Uhr (Arena 5).