„If your nerve deny you, go above your nerve. – Emily Dickinson and Cheryl Strayed“
Nach dem Tod ihrer Mutter fällt Cheryl Strayed in ein tiefes Loch. In der Hoffnung, sich dabei selber zu finden und die Person zu werden, die ihre Mutter in ihr sah, begibt sich Cheryl auf eine dreimonatige Reise auf dem Pacific Crest Trail quer durch Nordamerika. Nur ein Jahr nach dem Erfolg von Dallas Buyers Club dominiert mit Wild erneut ein Film von Jean-Marc Vallée die Schauspielkategorien bei den Oscars. Nach dem Doppelgewinn in den Kategorien der männlichen Darsteller sind mit Reese Witherspoon und Laura Dern dieses Jahr zwei Frauen nominiert. Aber hat der Film diese Lorbeeren auch verdient?
Ich muss gestehen, ich konnte schon mit Dallas Buyers Club nichts anfangen, für mich war Jean-Marc Vallées Film über einen an AIDS erkrankten Texaner der schwächste Oscar-Kandidat des vergangenen Jahres – und entsprechend uninteressant erschien mir auch Vallées neue Regiearbeit. Analog zu Dallas Buyers Club behandelt auch Wild die Biografie einer Person, die die Reissleine in ihrem Leben zieht und ein neues Kapitel aufschlägt. Und genau wie das AIDS-Drama ist auch Wild ein Film, der einen so unglaublich kalt lässt, dass es einem fast schon wieder unangenehm ist. Vielleicht liegt das an den unsäglich schlechten und unpassenden Off-Kommentaren von Reese Witherspoon, die einen ständig aus dem Film reissen und so die dringend nötige Identifikation mit der Protagonistin torpedieren.
Fairerweise muss man Wild zugestehen, dass er mit zunehmender Laufzeit erträglicher wird, und zum Schluss sogar ein versöhnliches Ende findet. Dennoch: Dafür, dass dieser Stoff der Rückkehr zu den Wurzeln und der Selbstfindung in der Natur in den letzten Jahren so unglaublich oft besprochen wurde, kann Vallée der Materie viel zu wenig Neues entlocken. Selbst die Schauspieler sind meiner Meinung nach nur durchschnittlich. Reese Witherspoon spielt ihre Rolle glaubwürdig, wirklich überzeugen kann mich ihre Charakterentwicklung aber nicht. Und keine Ahnung was sich die Academy gedacht hat, als sie Laura Dern für ihre gefühlt zwanzig Minuten Screentime mit einer Oscar-Nomination bedachte.
Kurz und knapp: Die ganzen Lobhudeleien hat der Film schlichtweg nicht verdient. Stattdessen ist Wild ein langfädiger und zäher Trip, der so grausam irrelevant ist wie schon lange kein Film mehr. Dallas Buyers Club mal ausgenommen.