Zugegeben: Es dauerte ein bisschen, bis Marvel sich in der TV-Landschaft zurechtfand. Die erste Staffel von Agents of S.H.I.E.L.D. dümpelte lange vor sich hin und wurde erst dank dem starken Twist in Captain America: The Winter Soldier so richtig gut. In der zweiten Staffel haben die Macher aber noch einmal aufgedreht und können nun auch ohne Schützenhilfe aus dem filmischen Universum brillieren. Und spätestens seit dem packenden Mid-Season-Finale der zweiten Staffel von Agents of S.H.I.E.L.D., das das Marvel Cinematic Universe auf ungeahnte Art und Weise erschütterte, darf die TV-Mission des Studios als Erfolg gewertet werden. Was folgt nun? Wie sehen die Pläne des Studios auf dem heimischen Bildschirm aus? Ein kleiner Blick in die Zukunft, nach dem Klick.
Bereits im Januar startete mit der Mini-Serie Agent Carter ein weiteres Format, das auf einem Kurzfilm über Peggy Carter, ihres Zeichens die Freundin von Captain America, basiert und das bei den Kritiken bereits sehr gut aufgenommen wurde. Hayley Atwell spielt die Titelrolle einer Kriegsheldin, die im sexistischen New York der Nachkriegszeit zwischen Stuhl und Bank zu fallen droht. Und so ermittelt Carter, die ihren Kollegen um Längen voraus wäre, aber als Frau nicht beachtet wird, auf eigene Faust im Fall eines Waffenschmugglers. Der momentane Tenor ist, dass die Serie nach acht Episoden ein Ende finden wird. Doch es ist nicht auszuschliessen, dass Agent Carter nach dem guten Start um 14 Folgen und vielleicht die ein oder andere Folgestaffel verlängert wird. Interessant ist, dass die Serie von Christopher Markus und Stephen McFeely konzipiert wurde, den Drehbuchautoren von Captain America: The First Avenger, Thor: The Dark World und Captain America: The Winter Soldier.
Doch Marvel bedient sich nicht nur beim bestehenden Kanon, sondern erweitert diesen auch. Marvels grosses Baby steht nämlich erst in den Startlöchern: The Defenders ist ein Konzept, das ähnlich wie The Avengers ein Team aus Superhelden zusammenstellt. Und wie schon bei den Filmen wird auch hier jeder dieser Helden in einer eigenen Mini-Serie vorgestellt, bevor sie dann alle in einer gemeinsamen Kurzserie ans Werk gehen. Für dieses Grossprojekt konnte Marvel den Streaming-Service Netflix gewinnen, der jede dieser jeweils 13 Episoden umfassenden Mini-Serien ausstrahlt. Wie immer bei Netflix werden dabei alle Folgen in einem Mal online gestellt, sodass die Fans die Folgen binge-watchen können. Auch hier schliessen die Produzenten nicht aus, dass die einzelnen Serien um zusätzliche Staffeln ergänzt werden, vorerst wird es aber wohl bei diesen Mini-Serien bleiben. Möglich wäre auch, dass neue Mitglieder zum Team stossen, in der Comicvorlage waren unter anderem der Hulk und Doctor Strange, der nächstes Jahr ja seinen eigenen Film erhält, dauernde Mitglieder. Vielleicht schliesst sich Benedict Cumberbatchs Magier nach seinem Auftritt auf der grossen Leinwand den Defenders an.
Für die Defenders geht es bereits am 10. April los, und zwar mit Daredevil, der von Cabin in the Woods-Macher Drew Goddard und Steven S. DeKnight umgesetzt wurde. Goddard verliess das Projekt zwar zugunsten von Sonys Sinister Six, doch er waltet noch immer als Produzent. In der Hauptrolle des blinden Rechtsanwalts Matt Murdock zu sehen ist Charlie Cox, den Antagonisten Wilson Fisk aka Kingpin gibt der Charakterdarsteller Vincent D’Onofrio. Auf Daredevil soll, ebenfalls in diesem Jahr soll A.K.A. Jessica Jones folgen, eine Serie über eine Superheldin, die einen Gang runterschalten will und sich als Privatdetektivin beschäftigt. Konzipiert wird diese Serie von Melissa Rosenberg, der Drehbuchautorin der Twilight-Filme. Das ist jetzt sicher nicht der Credit, den wir uns von einer Drehbuchautorin wünschen – nichtsdestotrotz ist ihre Verpflichtung ein Indiz, dass Marvel mit dieser Serie in die richtige Richtung zielt und der schlechten Frauenquote bei ihren Projekten entgegenwirken will. Und alleine deshalb ist A.K.A. Jessica Jones eine Serie, die wir im Auge behalten sollten.
Neben der Verpflichtung von Krysten Ritter und Mike Colter, der als Luke Cage dann ebenfalls seine eigene Mini-Serie erhält, ist auch hier bereits bekannt, wer den Bösewicht in diesem Format spielt, nämlich kein Geringerer als der Doctor himself, David Tennant. Der Schotte wird in der Serie als Zebediah Killgrave (die offiziellen Statements schreiben seinen Namen zwar mit einem L) zu sehen sein, ein jugoslawischer Spion, dessen Haut sich nach einem chemischen Unfall lila färbt. Als Purple Man treibt der manipulative Killgrave fortan sein Unwesen und kreuzt dabei auch desöfteren die Wege mit Daredevil. Später wird er in den Comics vermehrt zu Jessica Jones‘ Nemesis umfunktioniert, trotzdem wäre ich aber nicht überrascht, wenn Tennant bereits in Daredevil einen kleinen Auftritt hätte.
Nach A.K.A. Jessica Jones folgen noch zwei Serien, beide befassen sich mit zwei meiner Lieblingshelden dieser kleinen in sich abgeschlossenen Franchise: Iron Fist erzählt die Geschichte des Martial Arts-Experten Danny Rand, der am Liebsten an der Seite von Luke Cage kämpft, einem als Power Man bekannten Ex-Häftling und Muskelprotz, der dann auch noch eine eigene Mini-Serie bekommt. Es ist aber durchaus möglich, dass diese beiden Projekte Hand in Hand gehen, dazu ist aber noch nichts bekannt. Gespielt wird Luke Cage, der in den Comics Jessica Jones‘ Love Interest ist, wie bereits erwähnt von Mike Colter. Ein Schauspieler für Danny Rand aka. Iron Fist ist aber noch nicht gefunden, was auch daran liegen dürfte, dass diese Serie erst nach dem Produktionsschluss von A.K.A. Jessica Jones in Angriff genommen wird – und das ist doch noch eine ziemliche Weile hin.
Doch wohin führt das Ganze? Es ist anzunehmen, dass die Macher der Serien sich wie bis anhin mit Auftritten ihrer Figuren in den Filmen zurückhalten werden, nur schon, weil es einfach zu viel verlangt ist, vorauszusetzen, dass die Fans der Filme auch die TV-Projekte kennen. So wird es wohl allerhöchstens zu Gastauftritten von Filmfiguren und Referenzen zu den einzelnen Filmen in der Serie kommen, umgekehrt ist das aber eher unwahrscheinlich. Zumindest bis Captain America: Civil War in die Kinos kommt, ein Film, der das Marvel Cinematic Universe hoffentlich in seinen Grundfesten erschüttern wird. Dann werden vermutlich nicht nur die Filmhelden, sondern auch die kleinen Helden, die Agenten und die Detektive Position beziehen und Marvel muss beweisen, dass sie diese beiden Universen, die sie da geschaffen haben, auch in einem grossen Projekt unterbringen können.