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Interview mit Martin Senn

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Diese Woche startet bei uns endlich der neueste Pixar-Streich Inside Out in den Kinos. Der Film über das turbulente Innenleben eines jungen Mädchens wurde von der Kritik und dem Publikum gefeiert und gilt schon jetzt als ernstzunehmender Kandidat für das Oscar-Rennen. Bei der mehrere Jahre dauernden Produktion waren auch drei Schweizer beteiligt – einer von ihnen ist der Schaffhauser Martin Senn, der am diesjährigen Fantoche anlässlich der Premiere von Inside Out zu Besuch war. Ich hatte das Glück, Martin zu treffen und mit ihm über seine Arbeit am Film zu reden.

Wann hast du gemerkt, dass du diesen Weg einschlagen willst und bei Pixar arbeiten möchtest?

Das begann schon früh. Ich habe bereits als kleiner Junge den ganzen Tag gezeichnet und konnte mich in dieser Welt verlieren. Auch Animation hat mich schon immer interessiert, ich fand es total spannend, wie Leute etwas zum Leben erwecken, was eigentlich nicht lebendig ist. Ich habe dann in Zürich das Kunstgymnasium „Liceo Artistico“ besucht, weil ich etwas mit Kunst anfangen wollte. Dort lernte ich das Modellieren mit 3D-Computerprogrammen kennen. Ich fand das so faszinierend, dass ich damit auch meine Freizeit verbrachte und schliesslich auch meine Maturarbeit zu diesem Thema gestaltete.

Der technische Aspekt des Ganzen begeisterte mich, sodass ich dann an der ETH ein Informatikstudium begann, immer mit dem Ziel, irgendwann bei einem Animationsfilmstudio zu landen. Ich bekam dann die Möglichkeit beim Forschungslabor von Disney Research in Zürich ein Praktikum zu machen. Dort durfte ich an einem Projekt mitarbeiten, das sich im selben Feld bewegte, in dem auch Pixar forschte. So wurden sie auf mich aufmerksam und fragten mich an, ob ich bei ihnen in der Forschungsabteilung mitarbeiten wollte. Es dauerte aber noch ein bisschen, bis ich schliesslich in der Produktion von Pixar landete. Als es dann aber so weit war, konnte ich mein Glück nicht fassen.

Du arbeitest bei Pixar als Matte Painter – das waren früher ja bei Realfilmen die Leute, die Filmsets mit Gemälden ergänzt haben. Was ist denn jetzt bei Pixar, wo ja sowieso alles digital entsteht, die Aufgabe eines Matte Painters?

Eigentlich noch immer dieselbe. Wir sind dafür zuständig, alle Hintergründe und Elemente, die nicht als 3D-Modell gestaltet werden können, digital zu malen. Dabei müssen wir darauf achten, dass diese gemalten Elemente in die Szene passen und auch bei veränderten Kameraeinstellungen glaubhaft aussehen. Ich würde diesen Bereich als Schnittstelle zwischen dem technischen und künstlerischen Aspekt der Animation bezeichnen, denn wir müssen uns in beiden Feldern zurechtfinden. Wir haben bei uns viele Leute, die nur malen und dann gibt es Leute wie mich, die für die ganze Technik zuständig sind – beide Bereiche arbeiten Hand in Hand. Meine Aufgabe ist es, das, was diese Personen gemalt haben, in eine dreidimensionale Szene einzubetten.

Es kommt auch vor, dass wir grössere Aufgaben übernehmen dürfen. Bei Inside Out gab es zum Beispiel eine Szene, in der ein sogenannter „Brain Freeze“ gezeigt wird, als Riley ein kaltes Getränk trinkt. Wir haben das so dargestellt, dass in dieser Sequenz die Schaltzentrale im Hirn einfriert. Normalerweise werden derartige Effekte von der zuständigen Effektabteilung mit physikalischen Simulationen erledigt. Da diese Szene aber erst spät in der Produktion als kurze Gag-Sequenz eingefügt wurde, und die Effektabteilung zu diesem Zeitpunkt völlig ausgelastet war, waren sie nicht in der Lage, das auch noch zu erledigen. Und so wurden wir mit dieser Aufgabe betraut, was für uns auch neu war, da wir sonst vorallem statische Elemente erschaffen. Ich habe dafür dann ein System entwickelt, das Eiskristalle simuliert und dynamisch Geometrie erzeugt. Auf diese Eiskristalle hat der für die Gestaltung zuständige Matte Painter dann einen entsprechenden Farbeffekt gelegt. Diese Zusammenarbeit zwischen Kunst und Technik macht mir total Spass. Ich finde das generell spannend, wie in diesem Studio alle an einem Strick ziehen, damit etwas so Grosses entsteht.

In den letzten Jahren kamen immer wieder Zweifel an Pixar auf – der ausbleibende Erfolg von Cars 2 oder Monsters University kratzte ein bisschen am Bild dieses Studios, das ein Meisterwerk nach dem anderen produziert. Gab es bei der Produktion von Inside Out einen gewissen Druck, das Publikum wieder aus den Socken zu hauen?

Durch den Erfolg der Vergangenheit stellt das Publikum natürlich hohe Ansprüche an Pixar-Filme. Das ist ja auch total wichtig für uns. Aber einen höheren Druck als sonst gab es nicht – wobei ich da jetzt nur für mich selber reden kann. Wir wollen einfach jedesmal unsere beste Arbeit abliefern, und etwas schaffen, worauf wir stolz sein können. Es kommt natürlich auch darauf an, was man mit seinem Film erreichen will. Monsters University war mit seiner College-Film-Thematik stark auf das amerikanische Publikum ausgerichtet – ich glaube der Film kam deshalb auch in den Staaten besser an als in Europa, weil man hier nicht so vertraut ist mit diesem Genre. Und die Cars-Filme waren vermutlich schon in erster Linie auf eine jüngere Generation ausgerichtet.

Wir haben uns darum auch alle darüber gefreut, dass wir mit Inside Out wieder einen Film haben, der wieder stärker in die Tiefe geht und einen zum Nachdenken anregt. Ich denke, das ist auch das Schöne an diesem Film – er bietet für alle Generationen etwas. Vielleicht spricht der Film sogar Erwachsene fast noch stärker an als Kinder. Aber natürlich versuchen wir immer, eine Balance zu finden, dass man möglichst viele Leute ansprechen kann. Uns geht es darum, den Film für alle Zuschauer interessant zu halten, und ich denke, das ist uns mit Inside Out gut gelungen.

Erwachsene können sich gut mit dem, was mit Riley passiert identifizieren – dieser Erfahrungswert fehlt den jüngeren Zuschauern. Womit erreicht Inside Out die Kinder?

Ich denke, junge Kinder werden vorallem auf den Slapstick ansprechen. Die Selbstreflexion fehlt ihnen vermutlich noch. Wir konnten aber feststellen, dass Kinder, die etwa im gleichen Alter wie Riley sind, gemerkt haben, dass sie sich in einer ähnlichen Situation befinden. Aber es ist schon so, dass viele der tiefgründigeren Elemente von Inside Out vorallem ein älteres Publikum ansprechen.

Und trotzdem herrscht immer noch die Meinung vor, dass Animationsfilme Kinderkram sind. Die Voreingenommenheit gegenüber diesem Medium ist noch immer sehr hoch – wie geht ihr damit um?

Wir verfolgen bei uns immer das Ziel, einen Film zu schaffen, der sowohl für Kinder, als auch für Erwachsene interessant ist. Während wir ein sehr breites Publikum ansprechen möchten, ist die Werbung von unseren Filmen halt schon viel deutlicher auf Kinder ausgerichtet. Das dient der Sache leider nicht immer, viele Leute lassen sich noch immer davon blenden. Man darf aber nicht vergessen, dass die ersten Animationsfilme eigentlich für Erwachsene gedacht waren. Snow White and the Seven Dwarfs zum Beispiel wurde von Walt Disney nicht als Kinderfilm konzipiert, auch wenn den heute vorallem Kinder schauen würden. Das war ein Film für ein erwachsenes Publikum.

Was würdest du Leuten, die gerne bei Pixar arbeiten möchten oder generell in diesem Metier Fuss fassen wollen, mit auf den Weg geben? Gibt es irgendwelche Tipps und Tricks?

Der wichtigste Ratschlag, den ich jemandem mitgeben kann, ist dass man den Glauben an sich selber nie verlieren darf. Ich hatte das Glück, von meiner Familie und meinem Umfeld immer in meiner Arbeit unterstützt zu werden. Es ist wichtig, dass man immer am Ball bleibt und auch wenn es schwierig wird, nicht den Kopf hängen zu lassen – das Ganze ist mit viel harter Arbeit verbunden. Und natürlich braucht es auch eine gewisse Portion Glück und richtiges Timing.

Ich denke, gerade im Bereich der Animation sollte man auch immer neue Dinge ausprobieren und sich mit seiner Sache auseinanderzusetzen. Dann entstehen vielleicht Arbeiten, die scheusslich aussehen und auf die man überhaupt nicht stolz sein möchte, aber das braucht es. Das Ganze ist ein Prozess und aus den Fehlern kann man immer lernen.

Inside Out Gewinnspiel

InsideOut

Mit Inside Out ist dem Animationsstudio Pixar wieder ein voller Erfolg geglückt (take my word for it), der nun endlich am 1. Oktober auch hierzulande in die Kinos kommt. Der Film von Pete Docter erzählt von der turbulenten Gefühlswelt der jungen Riley, die mit ihren Eltern vom Land nach San Francisco zieht und von der Grossstadt völlig überfordert ist. Ich bin ehrlich gespannt auf den Film, der diesem berührenden Werk den Oscar streitig machen will – denn ich glaube nicht, dass das möglich ist.InsideOut_GoodiesUnd weil Inside Out so cool ist verlose ich zwei Goodie-Pakete – bestehend aus jeweils einem Stimmungsbarometer, einem Stress-Ball und einem Sticker-Set – sowie, eine echte Rarität, ein vom Schweizer Pixar-Animator Martin Senn signiertes Plakat zum Film. Sichern könnt ihr euch diese Gewinne, indem ihr mir in den Kommentaren verratet, bei welcher Szene aus einem Animationsfilm ihr weinen musstet. Gebt bitte auch unbedingt an, ob ihr lieber das Poster oder die Goodies möchtet! Aus allen Einsendungen, die bis am 29. September um 12:00 Uhr eingehen, werde ich zwei glückliche Gewinner auslosen. Mehrfachteilnahmen sind übrigens nicht gestattet – wer mit mehreren Accounts teilnimmt, wird umgehend disqualifiziert. Der Rechtsweg ist selbstverständlich ausgeschlossen.