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Owley am ZFF 2016 – Tag 3: Familiendramen zum Vergessen

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Es gibt vermutlich genau zwei Typen Menschen, die am Sonntag früh aufstehen: Kirchengänger und Journalisten am ZFF. Ich zählte mich an diesem sonnigen Sonntag zu letzterer Gruppe. War on Everyone stand auf dem Programm und als wäre das nicht schlimm genug, schleppten mich Linda und Chris dann auch noch in die vorderste Reihe. I hate them. Immerhin wurde ich ziemlich schnell wach, was aber sicher auch der Verdienst von John Michael McDonagh ist, der mit dieser Buddy-Cop-Komödie einen grossartigen Film abliefert. Auch wenn der durchgeknallte Actionfilm mit Alexander Skarsgård und Michael Peña bisweilen stark an The Guard vom selben Regisseur erinnert, ist McDonagh der Sprung nach Hollywood doch erstaunlich gut gelungen.

Mit American Pastoral folgte im Anschluss der erste Film am diesjährigen ZFF, der in meinem Umfeld für Diskussionsstoff sorgte. Bislang waren wir alle immer plusminus einer Meinung, bei diesem Film fanden wir aber keinen Konsens. Während Nicoletta und Yannick das Regiedebüt von Ewan McGregor für schrecklich misslungen erachteten, waren Lorin und ich davon überzeugt, dass die Buchverfilmung trotz einzelner Fehler alles in allem überzeugen kann. Der Film über eine Vorzeigefamilie in den 60ern, die an der rebellischen Ader der Tochter zugrundegeht, ist kein Werk für die Ewigkeit, aber immerhin ein solides Familiendrama.

Ein weiteres solches folgte auch mit dem dritten und letzten Film meines Sonntags. Little Men von Ira Sachs erzählt die Geschichte zweier Jungs und einer Freundschaft, die durch die Differenzen der Eltern auf die Probe gestellt wird. Man kann dem Film kaum einen Vorwurf machen. Das was er macht, macht er gut. Nur ist die Geschichte, die Sachs hier erzählt letzten Endes doch irgendwie schrecklich… alltäglich. Am Ende ist man kein bisschen schlauer. Wie auch American Pastoral dürfte ich auch dieses Familiendrama schon sehr bald vergessen haben, so gut es auch ist. Schade eigentlich.

  • War on Everyone (5/5) läuft am 28. September um 18.00 (Arena 4)
  • American Pastoral (4/5) läuft am 26. September um 21.00 (Corso 1) und 21.30 (Arena 4)
  • Little Men (3/5) läuft am 27. September um 18.45 (Piccadilly)

Owley am ZFF 2016 – Tag 2 & 3: Futter für die Statistik

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Ich nehme mir immer vor, mich an Filmfestivals zumindest ein kleines bisschen aus der Comfort Zone zu wagen. Mal gelingt mir das besser, mal weniger gut. Für das diesjährige Zurich Film Festival habe ich mir zu diesem Zweck eine Dokumentation herausgepickt, denn diese Art von Filmen bereitet mir immer ein bisschen Schwierigkeiten. Mein einziger Film am Freitag war deshalb eine Dokumentation mit dem Titel The Islands & the Whales. Der Film von Mike Day thematisiert die Bedeutung des Walfangs auf den Färöer-Inseln und beleuchtet das kontroverse Thema von beiden Seiten. Mit seiner allzu objektiven und zurückhaltend nüchternen Betrachtungsweise bleibt der Regisseur dem Zuschauer einiges schuldig. Ausser schönen Bildern bleibt von diesem Film darum leider nur wenig in Erinnerung.

Während am zweiten Tag des ZFF lediglich ein Film für mich auf dem Programm stand, sollten am dritten Tag gleich fünf folgen. Das ist ein neuer persönlicher ZFF-Rekord, allgemein habe ich diese Marke aber vor einigen Wochen am Fantoche mit einem Sechs-Filme-Tag schon geschlagen. Soviel aus der Statistikabteilung.

Noch verhältnismässig frisch startete ich den Samstag mit Snowden von Oliver Stone. Der Regisseur, der irgendwie öfters ans ZFF eingeladen wird als Irina Beller, nimmt sich in seinem neuen Film dem NSA-Leak von vor einigen Jahren an. Das Ergebnis ist ein packender Thriller mit einem bestechenden Joseph Gordon-Levitt. Trotzdem dürfte es Snowden aber – ausser in der Schauspielkategorie vielleicht – schwer haben, bis zu den Oscars in Erinnerung zu bleiben. Dafür ist er dann doch zu konventionell gestrickt.

Mit La La Land stand als Nächstes bereits mein eigentliches Highlight des Festivals an. Auf Damien Chazelles farbenfrohes Musical habe ich mich schon seit Langem gefreut. Und der Film hält, was er verspricht – der Regisseur von Whiplash präsentiert eine charmante Ode an die Schauspielerei und den Jazz. La La Land bewegt sich dabei immer sehr nahe am Kitsch, ist mit seiner Erzählweise und den fantastischen Bildern aber so ungewohnt und anders, dass man sich einfach in den Film verlieben muss. Auch im dritten Durchgang ist das Leinwandpaar Emma Stone und Ryan Gosling eine Wucht. Der Film kam auch bei der Journalistenschar gut an, denn ich kann mich nicht erinnern, wann es an einer Pressevorführung zum letzten Mal Applaus gab.

Wie jedes Jahr vergibt das Zurich Film Festival auch in diesem Durchgang irgendwelche bedeutungslosen Preise für das Lebenswerk irgendeines Filmschaffenden. Die müssen dann immer so tun, als würden die sich unglaublich darüber freuen, was ich immer enorm ulkig finde. Für uns Normalsterbliche hat das immer zum Vorteil, dass dann Filme aus dem Werk der jeweiligen Person als Reprise gezeigt werden. Ich nutze das dann jeweils, um mir so Filme, die mir irgendwie mal entgangen sind, nachzuholen. Diesmal war es Olivier Assayas’ Film Sils Maria mit Kristen Stewart und Juliette Binoche über eine Theaterschauspielerin, die 20 Jahre nach ihrem Durchbruch erneut in ihre grossen Rolle schlüpfen muss. Das Drama hat zwar immer wieder enorm starke Momente, wirkt im Grossen und Ganzen aber unfertig und undurchdacht. Im Anschluss durfte ich wieder einmal einen Dislozierungsweltrekord aufstellen, indem ich innert 15 Minuten vom Arena zum Houdini pilgerte. Dort wollte ich mir The Magnificent Seven anschauen, der zwar nicht am Festival selber gezeigt wird, aber den ich trotzdem unbedingt sehen wollte. Ich hatte zwar keine grossen Erwartungen an dieses Remake, fand ich schon das Original (also den Western) eine unnötige Neuverfilmung. Doch ich wurde überrascht: Antoine Fuquas Re-Remake des Kurosawa-Klassikers macht vieles richtig, was der originale Western verbockt hat und bietet beste Popcorn-Unterhaltung.

Danach blieb mir gerade noch ein bisschen Zeit um endlich etwas zu essen und mich mit Nicoletta von Blogbusters auszutauschen, bevor mit Trespass Against Us der letzte Film des Tages anstand. Das Screening kurz vor zehn Uhr abends war überraschend gut besucht, was aber wohl auch an der Anwesenheit des Regisseurs Adam Smith lag. Diesem ist mit seinem Debüt ein faszinierender Film gelungen, über eine urbritische White Trash-Familie und die Schwierigkeit, aus solch einem sozialen Umfeld auszubrechen. Michael Fassbender und Brendan Gleeson sind beide wenig überraschend grosse Klasse. Am Schluss stellte sich Smith einigen Fragen aus dem Publikum, und ich merkte wieder einmal überdeutlich wie sehr ich solche Q&A’s, bei der sich die Leute irgendwelche Fragen aus den Fingern saugen, nur um mit dem Regisseur zu reden können, doch verabscheue.

  • Snowden (4/5) läuft am 28. September um 20.15 (Arena 4)
  • La La Land (5/5) läuft am 25. September um 18.30 (Corso 1)
  • Sils Maria (3/5) läuft nicht mehr am ZFF
  • The Magnificent Seven (4/5) läuft regulär im Kinoprogramm
  • Trespass Against Us (4/5) läuft am 25. September um 15.00 (Le Paris) und am 1. Oktober um 21.00 (Arena 7)

Owley am ZFF 2016 – Tag 1: Würste, Fürze und Pralinen

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Obwohl das Zurich Film Festival erst heute begann, hatte ich meinen ersten Tag schon letzten Donnerstag. Für die Pressevorführung zu Rune Denstad Langlos Multikulti-Satire Welcome to Norway fuhr ich nach Zürich, nur um dort festzustellen, dass niemand im Kino von einer solchen Vorführung wusste. Doch ganz vergebens war ich nicht angereist, denn der Operateur verriet mir, dass sie aber dafür Hell or High Water zeigen würden. Der schnörkellose Neo-Western mit Chris Pine, Ben Foster und Jeff Bridges in den Hauptrollen kann auf der ganzen Linie überzeugen – damit hatte ich ja ehrlich gesagt nicht gerechnet. Jeff Bridges kann in der Rolle von Tommy Lee Jones des raubeinigen Sheriffs endlich wieder einmal sein ganzes Können unter Beweis stellen. Der Gute tat einem nach all den Fantasy-Flops der letzten Jahre fast schon Leid.

Das Pressevorführungs-Theater wollte auch heute, am eigentlichen ersten Tag des Festivals nicht abbrechen. Die verschiedenen Vorstellungen überschnitten sich so unglücklich, dass es praktisch unmöglich war, mehr als zwei davon zu besuchen. Das hätte man mit wenig Aufwand vermeiden können, aber in dieser Hinsicht geben sich die Organisatoren gerne stur. Einziger Wermutstropfen war, dass der Tag mit einem Film begann, der sich angesichts meines noch nicht ganz nüchternen Zustands um 9 Uhr morgens als optimal erwies. Die Animationskomödie Sausage Party, die wohl nur der breiten Masse zuliebe ins Programm des Festivals aufgenommen wurde, stand auf dem Plan. Der Film holt das Maximum aus seiner Prämisse heraus und zündet ein überraschend starkes Gag-Feuerwerk (ich meine, wir reden immer noch von einem Seth Rogen-Film, da habe ich eigentlich keine Erwartungen). Der Verleiher überraschte die anwesenden Journalisten im Anschluss an das Screening noch mit Hot Dogs und sorgte dadurch für gute Stimmung.

Mein persönliches Highlight folgte aber erst noch, nämlich ein Screening von Swiss Army Man, dem Film, den alle anfangs als schlechten Witz abgetan hatten, und der sich immer mehr zu einem ernstzunehmenden Kandidaten für den ein oder anderen Filmpreis mausert. Zu Recht, wie ich feststellen musste. Es dauert zwar ein bisschen, bis man sich mit der schrägen Prämisse über eine Freundschaft mit einer furzenden Leiche abgefunden hat, aber wenn man sich darauf einlässt, ist Swiss Army Man wirklich einer der schönsten Filme des Jahres. Ich hatte hier wirklich wieder einen solchen Toni Erdmann-Moment. Paul Dano und Daniel Radcliffe sind in ihren Rollen natürlich grossartig und den Soundtrack-Oscar dürften Andy Hull und Robert McDowell bereits auf sicher haben.

Für das letzte Screening des Tages musste ich in zehn Minuten vom Riffraff zum Stadelhofen rennen und fahren. Habe ich zu meiner Überraschung irgendwie hinbekommen (mit Unterstützung eines ewig langen Vorspannes, muss ich zwar fairerweise sagen) und kam so dafür in Genuss des neuen Werks von Juan Antonio Bayona, den ich ja schon 2012 am Zurich Film Festival treffen durfte. A Monster Calls heisst seine Buchverfilmung über einen Jungen, der versucht durch Treffen mit einem riesigen Baummonster mit der Krebserkrankung seiner Mutter klarzukommen. Ein ungemein ehrlicher und persönlicher Film über den Umgang mit Schicksalsschlägen, der einen so schnell nicht loslässt – und Liam Neeson als Baummonster geht natürlich immer.

Im Anschluss holte ich noch meinen Presseausweis am Pressedesk ab und bekam noch eine Tasche mit Pralinen und positiven Zeitungsberichten über das Festival (yay!) in die Hand gedrückt. Die Tasche gibt es jedes Jahr, und wenn ich nicht immer wieder Leute finden würde, die sich darüber freuen (natürlich ohne die Pralinen drin), wüsste ich echt nicht, was damit anstellen. Ich bin auch überzeugt, dass es inzwischen Journalisten gibt, die zuhause ein Verlegenheitslager an solchen ZFF-Taschen haben.

  • Hell or High Water (4/5) läuft am 29. September um 21.00 Uhr (Corso 1) und am 1. Oktober um 21.30 (Corso 1)
  • Sausage Party (4/5) läuft am 24. September um 21.30 (Arena 4) und am 26. September um 20.30 (Arena 5)
  • Swiss Army Man (5/5) läuft am 27. September um 18.00 (Arena 3) und am 1. Oktober um 20.30 (Arena 4)
  • A Monster Calls (4/5) läuft am 23. September um 18.30 (Corso 1) und am 24. September um 15.15 (Corso 1) und am 1. Oktober um 16.15 (Corso 1)