Deadpool (2016)

„I know right? You’re probably thinking „Whose balls did I have to fondle to get my very own movie“? I can’t tell you his name, but it rhymes with ‚pullverine.'“

Bevor ich euch erzähle, wie ich Deadpool fand, möchte ich etwas festhalten: Wer behauptet, der Film wäre ein Risiko für das Studio gewesen, ein Gamble, der hat einen anderen Film gesehen als ich. Es erstaunt doch vielmehr, dass 20th Century Fox überhaupt so lange gebraucht hat, um einen Film mit dem Söldner mit der grossen Klappe durchzuwinken. Schliesslich spricht doch alles für Deadpool. Da wäre zum Einen die grosse Fanbase – kaum ein Superheld, oder Supersöldner in diesem Fall, ist so beliebt wie Wade Wilson. Auch darum, ob sich der Film vom restlichen Superheldengedöns abhebt, müssen sich die Macher keine Sorgen machen, schliesslich ist Deadpool mit seinem Meta-Humor und seinem Bewusstsein für das Medium in dem er sich bewegt einzigartig. Warum also stellen sich die Macher so übervorsichtig an? Warum gehen sie nicht aufs Ganze, sagen den Konventionen des Genres „Fuck You!“ und gehen tatsächlich ein Risiko ein?

Nicht dass man mich jetzt falsch versteht – Deadpool hat mir sehr gut gefallen. Der Humor ist mit seinen zahlreichen Seitenhieben auf das ganze Superheldenuniversum und den bissigen Pointen spot on. Es ist lange her, dass mich ein Blockbuster so sehr zum Lachen gebracht hat. Für den stark aufspielenden Ryan Reynolds dürfte Deadpool die Rolle seines Lebens sein. Man mag ihm den Erfolg nach seiner Bauchlandung mit Green Lantern von Herzen gönnen. Mit dem humorlosen Hünen Colossus hat Deadpool zudem den coolsten Sidekick im Superheldenuniversum. Dass es ganze vier Anläufe brauchte, bis diese Figur in irgendeiner Weise relevant wurde sagt eigentlich genug aus über die Probleme mit Charakteren im X-Men-Universum. Der britische Rapper und Ex-Game of Thrones-Schönling Ed Skrein schnuppert zudem als schmieriger Fiesling Francis ein weiteres Mal Blockbusterluft.

Diese Dinge sind Grund genug, Deadpool zu mögen. Und ihm zu verzeihen, dass er so unglaublich schwach geschrieben ist. Für einen Film, der sich auf die Fahne geschrieben hat, das Superheldenuniversum aufzumischen, ist Deadpool erschreckend konventionell gestrickt. Es ist, als ob sich die Macher nicht sicher gewesen wäre, ob das Publikum auf das Konzept anspricht. Und darum soll uns eine überlange Origin Story erklären, warum Deadpool so ist, wie er ist. Doch statt Empathie weckt diese nach klassischem Schema gestrickte Einführung nur Langeweile – wie können wir mit einem Charakter mitfühlen, wenn sich die Macher in nahezu sämtlichen Szenen des Films über diesen mokieren? Was ist der Anreiz, diesem Charakter, der in jeder Szene als unberechenbarer Kindskopf und notorischer Eigenbrötler dargestellt wird, auch noch eine Liebesgeschichte anzudichten? Eine Love Story, die obendrein darin gipfelt, dass der Held seine Geliebte aus den Klauen des Bösewichtes retten muss? Es wäre doch spannend gewesen, wenn Deadpool eben gerade einen Fick auf all diese Klischees gegeben hätte und damit bewiesen hätte, dass er nicht nur auf dem Papier anders ist.

In Kürze:

Mit Deadpool landen Fox und Regiedebütant Tim Miller einen Volltreffer. Ryan Reynolds überzeugt in der Hauptrolle dieses bissigen und schonungslosen Action-Spektakels. Schade, dass das Drehbuch mit diesem Drang zum Anderssein nicht einhergeht und den Film mit seiner Konventionalität immer wieder ausbremst.

Wertung:

4 von 5 Adventure Time-Armbanduhren

Kommentar schreiben

Dominik

Die Liebesgeschichte bereicherte das sonst so überdrehte Geschehen mit sowas wie Mitgefühl seitens des Zuschauers. Zumindest erging es mir so. Ich fand die Mischung gut und eine Origin Story musste halt einfach sein. Teil 2 wird ja dann mit Cable umso mehr reinhauen. Btw. Die Macher haben doch auf so ziemlich alles einen „fick“ gegeben. Der Film ist alles andere als massentauglich.

Antworten
Owley

@Dominik: Did she? Ich fand nicht, dass ich zu irgendeinem Zeitpunkt dachte, „Oh der arme Wade“ sondern eher fand, dass das vermutlich Potential für den ein oder anderen Throwaway-Gag liefern würde. Und warum muss eine Origin Story zwingend sein? Es gibt genug Helden bei Marvel, die keinen eigenen Film und dadurch keine on-screen-Origin Story bekamen und denen geht’s auch gut (Black Widow, Hawkeye, Falcon). Klar ist Deadpool ein Protagonist und die Genannten vermutlich eher nicht so, aber ich bin der Meinung, der Film hätte gut auch auf der Brücke einsetzen können und die Story von da weitererzählen können. Ausser, dass wir dann natürlich keine Damsel in Distress gehabt hätten. Oh weia, welch ein Verlust. Wieso sollte der Film nicht massentauglich sein? Als Debütfilm für einen Superhelden Einnahmen im gleichen Bereich wie Iron Man, Guardians of the Galaxy, oder Ant-Man einzufahren – und das mit einem viel strengeren Rating – zeigt doch, dass der Film ein breites Publikum anspricht.

Antworten
Dominik

Wegen mir musste keine Origin her, wohl aber für Neueinsteiger. Und die top Einnahmen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Hälfte aller Besucher nicht das bekam was sie erwarteten, zu diesem Zeitpunkt aber schon gezahlt hatten. Zumindest stellte ich das bei meinem Kinobesuch fest.

Antworten
Owley

@Dominik: Ich sage nicht, dass es keine Origin Story braucht, weil man sie schon kennt (zu erwarten, dass jeder Kinogänger bestens Bescheid über Deadpool weiss, wäre absurd), sondern weil die Story auch ohne funktioniert. Eben, weil Deadpool gerade eine Figur ist, die mehr Gimmick als Charakter ist. Seine Backstory ist für das, was in der Gegenwart passiert nie relevant – anders als etwa Wolverine oder Iron Man definiert seine Origin Story nicht sein Superheldendasein. Man könnte jetzt sagen, dass das nicht stimmt, da der Zuschauer ohne die Origin Story nicht versteht, warum Deadpool diese Frau retten will. Das stimmt, aber liegt nicht daran, dass die Entwicklungsgeschichte extrem wichtig ist, sondern dass die Macher sich entschieden haben, die Frau als fleischgewordenen MacGuffin zu nutzen. Ergo ist sie austauschbar, die Motivation von Francis hätte auch ohne Damsel in Distress geklappt. Der lockere, selbstironische Umgang des Films mit solchen Themen hätte es den Machern ermöglicht, auf eine Origin Story zu verzichten, ohne dass ihnen das wirklich jemand hätte übelnehmen können. Siehe der Gag mit dem reduzierten Budget, das nur zwei X-Men erlaubt. Dadurch haben sie allen Kritikern den Wind aus den Segeln genommen und das hätte wohl auch bei der fehlenden Origin Story geklappt. Und bei den Einnahmen wird mir deine Argumentation zu schwammig – wie kommst du darauf, dass 50% der Leute nicht den Film bekommen hätten, den sie wollten? Mal abgesehen davon, dass die Promo ja sehr deutlich war in dem, was sie verspricht und ich das nur schon deshalb (und auch, weil du eben keine Zahlen lieferst) anzweifle. Und in der Verlängerung: Warum ist das Ausmass der Enttäuschung oder des Nicht-Erfüllens von Erwartungen relevant für die Einnahmen oder die Massentauglichkeit eines Films?

Antworten
Nicoletta

@Owley: Ich stimmte 100% mit dir überein, fand es ebenfalls extrem schade, dass sie neben dem Humor nicht auch den Mut hatten bei der Story wirklich neue Pfade zu gehen. So ist der Film zwar brutaler als die anderen Superheldenfilme (nicht wirklich schwer) und Deadpool haut selbstironische Witze raus, aber die Rache- & „Rette-die-Damsel-in-Distress“- Story ist so derart 0815 wie kaum eine Story der aktuellen Marvel-Filme. Aber ich hoffe jetzt mal auf den nächsten Teil und dass sie dann auch einen besseren Bösewicht hinkriegen, Ed Skrein kann einfach nicht so viel ausser schief grinsen. Was mich auch etwas enttäuscht hat war die Action. Die Szene auf der Brücke war der Hammer, aber nachher kam nicht wirklich mehr was, könnte aber auch am eher kleinen Budget liegen.

@Dominik: Deadpool ist doch absolut massentauglich, einfach nicht familien-massentauglich. Aber gerade für jungen Teenager ist der doch ohne grosse Risiko der perfekte Film.

Antworten
donpozuelo

Jupp… absolute und volle Zustimmung. Das mit der Story hat mich auch ein bisschen gestört. Es ist ein unterhaltsamer und guter Film, aber die Story kommt über 08-15 wirklich nicht hinaus… überhaupt fand ich die Nebencharaktere durch die Bank weg ein bisschen flach – und da hat auch nicht die Love Story geholfen, die zwar nett war, aber mehr leider auch nicht.

Ich find’s nur interessant, wie jetzt auf einmal überall die Meldungen aufploppen, dass DEADPOOL den Weg für R-Rated Comic-Filme geebnet hat. So ein R-Rating allein macht ja noch lange keinen guten Film. Bei „Deadpool“ hat das jetzt gut hingehauen, aber naja… wir werden sehen.

Antworten
Dominik

Ach, das mit den 50% war jetzt mal so eine Vermutung. Klar stehen die Kiddies auf den Film. Auch ich als mittlerweile alter Hase war begeistert. Doch wie schon richtig vermutet: Als Familienfilm geht der nicht durch. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass es so manch eine Familie rein gezogen hat, „weil Superheldenfilme ja immer familientauglich sind.“

Btw. Zu den 50% zähle ich mal auch dich Owley. Du hast ja auch nicht den Film bekommen, den du erwartet hast, unabhängig davon, dass du trotzdem recht zufrieden damit warst. 😉

Antworten
Oli

Ich kann den Hype um den Film überhaupt nicht verstehen. Bereits der Trailer machte mich nicht wirklich an und als ich dann im Kino sass, dachte ich mir die ersten 30 Min. Ok das kenne ich schon, hab ich im Trailer gesehen.

Auch die Witze und Sprüche funktionierten meiner Meinung nach überhaupt nicht. (Ich habe ihn auf English gesehen) Vielleicht erhoffte ich mir auch etwas zu viel von Marvel. Deadpool sollte ja der totale Antiheld sein und sich nicht ernst nehmen. Ok das zweite macht er ja auch. Aber trozdem ist es immer noch ein 0815 Superhelden Film der genau gleich ist wie alle anderen Marvel Filme.

Ich gebe zu, ich bin absolut kein Marvel Fan. Ich fand schon Avengers nicht gut und einfach zu überfüllt mit künstlichen CGI kram und Explosionen. Das gleiche war auch bei Deadpool. Ich hatte immer das Gefühl, das fast der Komplette Film im Greenscreen gedreht wurde.

Für mich ist Deadpool momentan die Entäuschung des Jahres… Obwohl London has Fallen erst noch in die Kinos kommt….

Antworten
Owley

@Nicoletta: „Ed Skrein kann einfach nicht so viel ausser schief grinsen“ das ist so verdammt wahr :-O bisher konnte er mich noch nie von seinem Schauspieltalent überzeugen. Und noch schlimmer: Seine Musik leidet offensichtlich darunter.
@donpozuelo: Ich fand Colossus und Negasonic Teenage Warhead eigentlich noch eine tolle Ergänzung, aber sonst waren die Nebenfiguren nicht wirklich interessant… Und ich glaube der ganze R-Rated-Hype verebbt wieder. Was bleiben wird, ist vermutlich einfach, dass die Studios bei einem interessanten Projekt nicht um jeden Preis auf ein PG13-Rating pochen (siehe Aronofskys Wolverine-Konzept, das damals in die Pfanne gehauen wurde). Und das ist sicher nicht schlecht.
@Dominik: Wieso auch sollte irgendjemand das Gefühl haben, der Film sei ein Familienfilm? Ich würde doch sagen, das Marketing war deutlich genug. Nur weil es ein Superheldenfilm ist? Ich bezweifle doch sehr, dass Familien scharenweise ins Kino geströmt sind für den Film, ohne zu wissen, was sie erwartet. Und nein, ich zähle nicht zu den 50%. Ich wurde nicht enttäuscht, bzw. habe genau das bekommen, was ich erwartet hatte. Vielmehr wäre ich überrascht gewesen, wenn das Blockbuster-Debüt eines kompletten Neulings, der aus dem technischen Bereich kommt und noch nie hinter einer Kamera sass, nicht irgendwie storytechnische Mängel aufweisen würde.
@Oli: Ich fand nicht, dass der Film sein Pulver schon in den Trailern verschossen hat. Und zur Klarstellung: Marvel war bei diesem Projekt nur insofern involviert, als dass sie ihr Logo vor den Film setzten und die Namensrechte freigaben. Der Film ist ein 20th Century Fox-Film und muss darum auch an den anderen Filmen des Studios (also den X-Men-Filmen) gemessen werden. Und da ist er, gerade für sein reduziertes Budget, doch ein ziemlich starker Beitrag. Dass die Story 0815 ist, da stimme ich dir zu – aber ansonsten finde ich, spielt er sehr mit den Konventionen und mischt das Genre angenehm auf.

Antworten
silencer

Empathie ist bei den Deadpool-Comics und dem grandiosen Game eigentlich nie die treibende Kraft. Man soll nicht mit dem Helden mitfühlen, sondern die Kinnlade soll runterfallen, während er Konventionen auf den Kopf stellt und Dinge tut, die sich innerhalb der Konventionen seines Mediums nicht vorgesehen sind.

Genau in diesem Punkt ist der film total saftlos. Ja, es gibt ein paar gorige Szenen, aber die täuschen nicht darüber hinweg, dass das Pacing überall rumpelt. Man steht nach über einer Stunde Laufzeit IMMER noch auf der Brücke aus der Eröffnungssequenz rum! In der Summe kein schlechter Film, aber auch kein Knaller. Wie alle anderen auch hoffe ich da mal auf Teil 2 und Bösewichte, die die Fallhöhe ein wenig erhöhen.

Antworten